Cornelia Salonina
Versuch einer Rekonstruktion

Die Porträts von Salonina markieren zwei unterschiedliche Lebensabschnitte der Augusta. Sie deuten darauf hin, dass zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Ansprüche auf der Person Cornelia Salonina lasteten. Ein Porträt zeigt eine junge wohlgenährte Frau, scheinbar sorgenfrei. Das andere bildet eine gealterte und besorgte, aber dennoch durch Attribute der Fruchtbarkeit gekennzeichnete, Frau ab. Der geschichtliche Kontext verrät uns, dass zu Beginn der Ehe von Gallienus und Salonina die Einheit zwischen Gallienus und Valerian sehr stark gewesen sein muss, da Valerian seinen Sohn zum Mitregenten ernannte. Salonina fiel die Rolle der dynastischen Repräsentation zu, die sich im jugendlichen Porträt spiegelt. Nachdem Valerian von den Parthern gefangen genommen worden war und Gallienus selbst seinen Generälen nicht mehr vertrauen konnte, ist es wahrscheinlich, dass Salonina zu den wenigen engen Vertrauten ihres Mannes zählte und stärker die Rolle einer Partnerin übernahm als in der Zeit der Samtherrschaft. Das zweite Porträt bekräftigt diese These, denn erste Falten sind zu erkennen, die auf ihre Weisheit und Lebenserfahrung hinweisen sollen, und sie dadurch als Beraterin des Gallienus kenntlich machen. Die Ähnlichkeiten in den Darstellungen von Gallienus und Salonina deuten zudem darauf hin, dass nach außen Stärke und Einheit des Paares ausgestrahlt werden sollte. Es ist also wahrscheinlich, dass Gallienus gegen Ende seiner Regierungszeit stark auf Salonina als Stütze seiner Herrschaft setzte und dies auch nach außen kommuniziert wissen wollte.

In den epigraphischen Befunden lässt sich ebenfalls eine Zäsur in der Darstellung Saloninas erkennen. Während der Samtherrschaft von Valerian und Gallienus weisen die Inschriften vermehrt auf die Mutterrolle Cornelia Saloninas hin, wodurch auf die dynastische Herrschaftssicherung als politisches Programm verwiesen wird. Spätestens nach dem Tod ihrer Söhne gerät diese Herrschaftsideologie ins Wanken, da eine dynastische Herrschaftspolitik vorerst nicht mehr möglich war. Die Erwähnung als Mutter findet sich von da an nicht mehr in den lateinischen Inschriften. Im Gegensatz dazu wird Cornelia Salonina stärker in ihrer Rolle als Kaisergattin und Gefährtin (consors) des Kaisers Gallienus dargestellt, wodurch gleichzeitig auch die neue Herrschaftsideologie charakterisiert.

Die Position Saloninas als Repräsentantin des Herrscherhauses und Beraterin bzw. Mitregentin des Gallienus lässt sich ebenfalls in den Münzdarstellungen erkennen. In der Rolle der dynastischen Repräsentation häufen sich die Darstellungen der Salonina als Personifikation einer Göttin oder als Göttin selbst. Dies geschieht auf dem Revers, während Gallienus den Avers der Münzen einnimmt. Die Datierung dieser Art von Münzen erweist sich als schwierig. Ist Salonina sowohl auf dem Avers als auch auf dem Revers abgebildet, sind ihr diese Münzen direkt gewidmet. Sie verweisen auf die Zeit der gemeinsamen Regentschaft und beziehen sich auf die Jahre 254 bis zu ihrem Tod 268. Allerdings erweist sich auch hier eine genaue Datierung als schwierig. Auffällig ist jedoch, dass in der Zeit der Alleinherrschaft eine Münze mit einem Doppelporträt von Gallienus und Salonina auf dem Avers emittiert wurde und mehrere Antoniane mit dem Porträt des Herrschers auf der Vorderseite und dem der Augusta auf der Rückseite. Die Programmatik der Münzen nach 260 wird für Salonina deutlich erweitert, wenn nun auch das Militär einbezogen wird oder Salonina mit Neuanfang und Rettung verbunden wird.

Demgegenüber zeichnen die literarischen Quellen ein ganz anderes Bild der Beziehung zwischen Gallienus und Salonina. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese, anders als die bereits beschriebenen Quellen, erst nach dem Scheitern des Gallienus entstanden sind und so Kritik am Kaiser üben wollten.

In diesem Sinn zeigen die literarischen Quellen eine ambivalente Beziehung des Herrscherpaars. Einerseits erscheint die Beziehung traditionell an den üblichen Werten ausgerichtet, indem die Augusta ihrem Ehemann Rückhalt bietet. Andererseits wird diese Beziehung auch durch die Eskapaden und Launen des Kaisers schwer beschädigt. Doch nicht Cornelia Salonina wird dadurch der Erniedrigung preisgegeben. Es ist der Kaiser, der sich selbst erniedrigt, wenn er seine Frau der Demütigung des Ehebruchs und dem Spott der Bevölkerung aussetzt. Damit sind die literarischen Quellen kaum zur Rekonstruktion der historischen Realität geeignet, sondern lassen allenfalls Einzelbeobachtungen zu, deren Historizität jedoch mehr als problematisch ist.

Die historische Person Salonina bleibt nach Auswertung aller Quellen fast völlig im Dunkeln. Ihre Stellung als öffentliche Person läßt sich dagegen recht deutlich erkennen.