Russland - St. Petersburg - Eremitage

Skulptur

Römische Büste aus Marmor aus dem 3. Jahrhundert. Die Nasenspitze sowie die halbe Unterlippe sind restauriert. Am Hals ist eine Bruchstelle erkennbar, weshalb die Zusammengehörigkeit von Kopf und Oberkörper, ohne fachwissenschaftliche Untersuchung, nicht zweifelsfrei zu bestimmen ist.

Porträt

Hervorstechend ist die geflochtene Haartracht, die typisch für Römerinnen im 3. Jahrhundert ist. Zu erkennen ist ein Scheitel in der Mitte, von dem das Haar in Wellen nach hinten gebunden ist. Das lange Haar verläuft u-förmig über dem Schopf und reicht fast bis zur Stirn. Besonderes Kennzeichen hierbei ist der kleine Pony auf der Stirn sowie die kurzen Haarfransen im Nacken. Zusammen mit der Wellenform nimmt das der Frisur ein wenig an Stränge.

Das Gesicht ist sehr individuell und besticht, anders als beim Porträt aus Rom, eher wenig durch weibliche Fülle. Die Gesichtsform ist länglich und oval. Prägnant sind außerdem die schmale vorstehende Stirn sowie die lange, gradlinige Nase. Auch das vorstehende Kinn ist sehr markant, ähnlich wie die Nase verläuft es gradlinig und spitz. Eine leichte Kinngrube verleiht dem Gesicht bei genauerem Hinschauen etwas Männliches. Die zusammengezogenen Augenbrauen lassen die dargestellte Frau nachdenklich und besorgt erscheinen, ähnlich wie eine Mutter, die über ihr Kind grübelt oder eine Landesmutter, die sich um ihr Volk sorgt. Da Salonina auch als mater patriae (Mutter des Vaterlandes) betitelt wurde, ist es naheliegend zu vermuten, dass auch die vorliegende Skulptur diesen Titel wiederspiegeln sollte. Zudem findet sich das Motiv der zusammengezogenen Augenbrauen und damit der Besorgnis auch auf der Brüsseler Büste ihres Mannes Gallienus.1 Was die Annahme, dass es sich hierbei um eine Darstellung der Cornelia Salonina handelt, weiter festigt.

Erwähnenswert sind auch die Venusfalten im Halsbereich sowie die vollen Lippen, die als Zeichen von Reife gedeutet werden können. Die Falten im Gesicht sind zwar weniger ausgeprägt, aber dennoch um Mundwinkel, Kinn und Stirn zu erkennen. Zusammen mit den leicht angedeuteten Augenringen, verstärken die Falten den Eindruck eine nachdenkliche, aber zielstrebig agierende Person vor sich zu haben. Diese Kennzeichnungen deuten auf eine ältere Frau und sollen vermutlich die Lebenserfahrung und damit einhergehend ihre Weisheit unterstreichen. Der zur Seite gerichtete Blick deutet dabei auf eine starke Persönlichkeit, denn betrachtet man das Bildnis von der Vorderseite, so hat diese Kopfhaltung etwas Stures und Verneinendes.

Im Gegensatz zu der reifen und mütterlichen Note des Kopfes steht der Oberkörper für Jugend, Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Der Träger des Kleides ist auf den Unterarm heruntergerutscht, sodass das Gewand das Dekolleté nur zur Hälfte bedeckt. Auch der Stoff des Kleides scheint fast transparent, denn die Form der Brust und insbesondere die Brustwarzen sind sehr gut zu erkennen. Dieses Zeichen der Verführung deutet vermutlich auf die Göttin Venus, die auf zahlreichen Salonina Münzen abgebildet ist. Neben der Sinnlichkeit verdeutlichen die hervorstehenden Brustwarzen vor allem Jugend und somit Vitalität und Fruchtbarkeit.

Diese Kombination aus mütterlicher Fürsorglichkeit und femininer Verführung deutet darauf, dass das Porträt Cornelia Salonina darstellt. Denn zum einen spiegelt sich in ihren Titeln mater patriae und mater castrorum (Mutter des Heerlagers) eindeutig eine Mutterrolle wieder, zum anderen wird Salonina auf Münzen sehr häufig mit der Göttin Venus abgebildet, welche für Fruchtbarkeit und Verführung steht. Obwohl es bei Porträts, anders als bei Münzen, die beschriftet sind, immer Unsicherheiten bei der richtigen Zuordnung gibt, wird in der Forschung ebenfalls davon ausgegangen, dass Salonina am besten zur Büste passt.2 Neben den deutlichen Ähnlichkeiten zu den Salonina Münzen (Frisur, Venus), liefern auch die literarischen Überlieferungen Anzeichen dafür, dass Salonina als Gattin des Imperators eine außergewöhnliche Stellung inne hatte. Sei es durch ihre Fruchtbarkeit, denn sie brachte drei Söhne zur Welt und legte damit eine gute Grundlage für eine Dynastie.3 Sei es durch die gemeinsame Leidenschaft von Gallienus und Salonina zur Philosophie4, oder sei es durch ihren Mut Gallienus auf seinem letzten und tödlichen Feldzug zu begleiteten.5

  1. http://arachne.uni-koeln.de/arachne/index.php?view[layout]=objekt_item&search[constraints][objekt][searchSeriennummer]=38372
  2. Lesnickaja, M. M., Römische Porträts, St. Petersburg 1963, 175 ff.
  3. Bleckmann, B., Die severische Familie und die Soldatenkaiser, in: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum, Die Kaiserinnen Roms, Von Livia bis Theodora, Verlag C. H. Beck, München, 2002, S. 311.
  4. Porphyrios, Vita Plotini 12.
  5. Zonaras 12, 25.