Fazit

Obwohl sich die Porträts in ihrem äußeren Erscheinungsbild sowie in Details der Frisur unterscheiden, strahlen beide eine Mütterlichkeit aus, die als charakteristisch zu bezeichnen ist.

Bei der Büste aus St. Petersburg ist diese Mütterlichkeit mit Strenge und Nachdenklichkeit verbunden. Bei dem Kopf aus Rom hingegen weicht die Stränge zugunsten der Jugendlichkeit und Unbeschwertheit, die durch das wohlgerundete Gesicht erzeugt wird.

Je nach Lebensphase und Intention der Salonina und des Imperators, könnten beide Porträts Abbildungen der Augusta Salonina sein. Der Kopf aus Rom könnte eine Darstellung Saloninas in jungen Jahren und somit zu Beginn ihrer Vermählung mit Gallienus sein. Bereits in der Herrschaft des Valerian, ihres Schwiegervaters, war sie die einzige Augusta. Für diese Interpretation würde sprechen, dass sie als wohlgenährte junge Frau den Anschein von Frische und Fruchtbarkeit verkörpert. Die Geburt der drei Söhne Valerianus, Saloninus und Marinianus unterstreicht diese Vermutung, da die Augusta so ihre gute Gebärfähigkeit zeigte.

Ob ihr diese Grundlage das Selbstbewusstsein verschaffte, später als Partnerin neben Gallienus zu agieren, kann nur vermutet werden. Das Bildnis aus St. Petersburg würde jedoch dafür sprechen, da eine bereits gealterte, aber dennoch durch Fruchtbarkeitsattribute gekennzeichnete, Frau zu erkennen ist, die um einiges an Charakter dazu gewonnen hat. Der Blick ist nicht mehr neutral nach vorne gerichtet, sondern widerspenstig zur Seite. Die Augenbrauen sind nachdenklich zusammengezogen und im Gesicht sind erste Falten zu erkennen. Dies spricht dafür, dass Salonina eine neue Position im Herrschaftsgebiet inne hatte, eine Position bei der ihre Weiblichkeit eine untergeordnete Rolle spielte. Das Bildnis in Verbindung mit den literarischen Überlieferungen legt nahe, dass Salonina besonders in der letzten Phase ihres Lebens als Partnerin und Beraterin des Gallienus auftrat und nicht nur als Mutter seiner Kinder.1

Wir haben es also möglicherweise mit zwei Porträttypen zu tun, die zwei verschiedene Lebensphasen der Augusta repräsentieren. Salonina als Gattin des Nachfolgers und Mitaugustus, von der lediglich die Fortsetzung der Dynastie erwartet wurde und Salonina als Partnerin an der Seite des Alleinherrschers Gallienus, auf deren Schultern auch Verantwortung für das Reich lastete.

  1. Porphyrios, Vita Plotini 12. Zonaras 12, 25.