Bei den uns heute noch erhaltenen lateinischen Inschriften, die Cornelia Salonina erwähnen, handelt es sich primär um Weih- und Ehrinschriften, die teils Cornelia Salonina alleine, teils aber auch dem Kaiserpaar (bzw. dessen salus) gewidmet sind. Geographisch stammt ein Großteil der Inschriften aus der Provinz Africa Proconsularis. Es finden sich aber auch Inschriften aus Rom, Etrurien und Campanien.
Der Bestand an Inschriften ist relativ gering, was nicht nur den politischen Umständen Mitte des dritten Jahrhunderts n. Chr.1 geschuldet sein dürfte, sondern vor allem der Tatsache, dass Cornelia Salonina nach ihrem Tod aller Wahrscheinlichkeit nach einer damnatio memoriae zum Opfer gefallen ist.2 Diese damnatio memoriae ist wohl nicht für sie direkt ausgesprochen worden, sondern lediglich für ihren Gatten Gallienus. Dennoch darf angenommen werden, dass ihr Vermächtnis auf Grund der Rolle, die sie zu Lebzeiten politisch eingenommen hatte, zusammen mit dem ihres Mannes geächtet wurde. Hierfür spricht auch der gewaltsame Tod des Gallienus, der einem Komplott seiner eigenen Generäle zum Opfer fiel.3 Da bislang keine Quellen bekannt sind, in denen Cornelia Salonina nach dem Tod ihres Mannes erwähnt wird, ist wahrscheinlich, dass sie im Rahmen der Unruhen ebenfalls den Tod fand sowie Opfer einer damnatio memoriae wurde.
Die Inschriften zeigen, ähnlich wie die Münzfunde, Cornelia Salonina vorzugsweise
in der Rolle einer Ehefrau bzw. Mutter. Fast alle Inschriften4
verweisen auf ihre besondere Stellung als Ehefrau des Gallienus, aber auch in
begrenztem Maße auf ihre Mutterrolle im dynastischen Geflecht. Anders konnotierte
Inschriften lassen sich kaum finden, so dass geschlussfolgert werden kann,
dass Cornelia Salonina besonders in ihrer Ehefrauenrolle stilisiert wurde.
Dafür spricht auch die Inschrift Nr. 585,
welche Salonina als consors ihres Mannes darstellt.
Damit rückte sie nah an ihren Mann heran. Beide werden folglich nach außen
hin als Paar wahrgenommen. Dies bestärkt die Annahme einer damnatio
memoriae für das Herrscherpaar.
Des Weiteren zeigen einige der noch erhaltenen Inschriften Cornelia Salonina
als eine typische Kaiserin mit denen für eine römischen Kaiserin zu erwartenden
Epitheta wie z. B. sanctissima6.
Allerdings sind diese Epiteta vergleichsweise gering.7
Dennoch weisen die Inschriften für Salonina gewisse Eigentümlichkeiten auf, wie
sie sich erst ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. in dem epigraphischen Befund für
Kaiserinnen nachweisen lassen. So begegnet die Ehrung als sanctissima Augusta
erst seit Julia Mamaea8 als Anrede der
römischen Kaiserin.9 Zudem lassen sich
titularische Anknüpfungspunkte zu der Titulatur Julia Domnas finden, welche
als erste römische Kaiserin mater Augusti10
sowie mater castrorum et senatus et patriae11
tituliert wurde.12 Allerdings impliziert
Saloninas primäre Rolle als Ehefrau, dass sie in den ihr gewidmeten Inschriften
weniger oft mit der seit Julia Domna13
verwendeten „mütterlichen“ Titulatur bedacht wird. Zudem wird Salonina im
epigraphischen Befund auch nicht als pia und felix bezeichnet,
wie es bei Julia Domna der Fall war. Beide Epitheta bleiben dem Herrscher
vorbehalten.
Generell scheint es so, als ob eine gewisse Zurückhaltung die Ehrungen der
Kaiserin charakterisiert.14 Cornelia
Salonina wird nur in sieben Inschriften mit dem militärisch konnotiert Titel
der mater castrorum belegt.15
Auch die Titel mater senatus (fünfmal) und mater patriae
(einmal) sind selten in den Inschriften erwähnt. Obwohl einige der Weih- und
Ehrinschriften Salonina als Mutter bezeichnen, wird sie nie in ihrer Rolle
als solche geehrt.
Dieser Befund lässt sich vermutlich damit erklären, dass seit der Alleinherrschaft
des Gallienus eine Verehrung Saloninas in der Mutterrolle nicht mehr so wichtig
war, sondern ihre Rolle als Ehefrau in den Vordergrund trat.16
Gestüzt wird diese Annahme dadurch, dass sich in keiner der Inschriften ein
Bezug auf die Söhne Saloninas finden lässt. Daher kann angenommen werden,
dass die Inschriften auf die Zeit nach dem Tod des Valerianus Caesar und des
Saloninus zu datieren sind. Nach dem Verlust ihrer beiden Söhne geriet die bis
dahin dynastisch konnotierte Herrschaftsideologie Gallienus und Saloninas ins
Wanken. Vor diesem Hintergrund ist die Inschrift Nr. 217
zu deuten. Auf Grund ihrer Erwähnung Saloninas als mater Augustorum nostrorum
muss die Inschrift auf die Zeit vor 258 n. Chr. datiert werden. Die Betonung
der Mutterrolle Saloninas ist als Zukunftsausblick auf die Rolle Salonias als
Stammmutter des gallienischen Geschlechts zu verstehen und fasst somit die
Herrschaftsideologie Gallienus und Saloninas. Spätestens seit dem Tod des
Saloninus lässt sich allerdings eine Zäsur in der Herrschaftsideologie ausmachen,
da eben die Darstellung Saloninas als Mutter von ihrer Darstellung als Ehefrau
abgelöst wird.
Als Auftraggeber bzw. Initiatoren der ausschließlich Salonina gewidmeten
Inschriften werden meistens die Dekurionen der jeweiligen Gegend genannt.
In den wenigsten Fällen treten Einzelpersonen als Dedikanten auf. Inschriften,
die dem kaiserlichen Paar gewidmet sind erwähnen hingegen primär Soldaten als
Urheber.
Die geographische Verteilung der Inschriften kann zum einen durch die Anwesenheit
von Truppen, zum anderen durch die Verbundenheit bestimmter Städte mit dem
Kaiserpaar bzw. der Kaiserin selber erklärt werden.
So stammen z. B. fünf Inschriften aus der colonia Iunonia Faliscorum.
Zwei davon berichten darüber, dass Salonina sich dem Ort gegenüber als großzügig
präsentiert und sich dadurch verdient gemacht habe. Die übrigen drei sind dem
Numen der Kaiserin geweiht. Alle Inschriften wurden unter Tyrius Septimius
Azizus gesetzt. Bei diesem handelte es sich um einen Ritter mit orientalischen
Wurzeln, der als kaiserlicher Verwaltungsbeamter die Finanzverwaltung der
colonia Faliscorum überwachen sollte.18
Eine mögliche Erklärung für das besondere Wohlwollen des Herrscherpaares
gegenüber der colonia Iunonia Faliscorum lässt sich vermutlich daher
erklären, dass Mariniana, die Mutter Gallienus, aus dieser colonia
stammte.19 Eine andere Möglichkeit
bestünde darin, dass erst Gallienus der Stadt ihren Status als colonia
zugestanden hat.
Dennoch lässt sich im Namen der colonia selber ein Verweis auf
Salonina finden. Der Name Iunonia Faliscorum deutet auf eine
Verbundenheit der colonia mit Iuno hin. Eine ähnliche Verbundenheit
mit Iuno ist auch für Salonina durch die numismatischenBefunde20
belegt. Einige ihrer Münzen bilden Cornelia Salonina mit Iuno zusammen ab,
wodurch eine Parallelität zwischen der colonia und Cornelia Salonina
entsteht, die vielleicht sogar auf eine direktere Verbindung von Stadt und
Kaiserin hinweisen soll.
Ein weiteres Beispiel einer solchen Verbundenheit von Stadt und Kaiserin
findet sich in den Inschriften für Salonina aus Lepcis Magna. Wie die
Inschriften Nr. 3221 und Nr.
3322 zeigen, wurde Salonina nicht nur
als Cornelia Salonina sanctissima Augusta nostra bezeichnet, sondern
auch ihr Gentilname wurde auf die colonia Ulpia Trajana übertragen.
Diese besondere Ehrung sowie die Bezeichnung Saloninas als nostrae
findet sich nur in den Inschriften aus Lepcis Magna für Salonina und stellt
damit für ihre Inschriften eine Ausnahme dar, der besondere Beachtung
geschenkt werden sollte. Möglicherweise könnte hier ein Zusammenhang mit dem
dortigen Statthalter P. Cornelius Saecularis23
identifiziert werden. Bei diesem könnte es sich z. B. um einen nahen Verwandten
– z. B. ihren Vater – handeln.24 Diese
Annahme wird dadurch bestärkt, dass die in Lepcis Magna gefundenen Inschriften
primär der Kaiserin gewidmet sind und weniger dem Kaiser selbst.
Dennoch bleibt zu konstatieren, dass die Addition des Herrschernamens zum
Stadtnamen auch im Falle des Gallienus25
nachgewiesen ist und diese Praxis ein Mittel der
Herrschaftspropaganda26 ist.
Trotz der damnatio memoriae lassen sich besonders in der Provinz Africa Proconsularis noch viele Inschriften finden, die Cornelia Salonina sicher zuzuordnen sind. Folglich konnte oder wurde die damnatio memoriae nicht in allen Teilen des römischen Reiches durchgesetzt. Die Gründe hierfür dürften vielfältig sein und lassen sich heutzutage kaum sicher rekonstruieren. Dies liegt auch daran, dass viele der uns heute vorliegenden Inschriften nur noch fragmentarisch erhalten sind und sich ihr Inhalt deswegen nur schwer erschließen lässt. Erschwerend kommt zudem noch hinzu, dass generell recht wenig über Cornelia Salonina an historisch Gesichertem tradiert ist, was eine detaillierte Auswertung der noch erhaltenen Inschriften erheblich erschwert.