Livia und Iulia maior in der Provinzialprägung unter Augustus


verfasst von Anja Schulz

 



1. Einleitung

2. Die Provinzialprägung in augusteischer Zeit

2. 1. Themen und Motive

3. Die Münzen der Iulia maior unter Augustus

4. Zusammenfassung

5. Literatur-und Quellenverzeichnis



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1. Einleitung



Im Rahmen des Projekts „Kaiserfrauen auf Münzen“ zum gleichnamigen Seminar, soll diese Ausarbeitung sich wie die von Fr. Quint mit der Münzprägung in den Provinzen während der augusteischen und tiberianischen Regierungszeit beschäftigen. Sie erhebt nicht den Anspruch, alle Münzen vollständig zu erfassen, sondern möchte exemplarisch einen Überblick über Motive und Themen geben sowie deren Entwicklung und Veränderung. Dabei steht Livia Drusilla, Gattin Augustus’ und Mutter Tiberius’ im Mittelpunkt und gefragt wird nach ihrer Wahrnehmung in den Provinzen sowie nach den daraus ablesbaren Rückschlüssen auf ihre Rolle innerhalb der domus Augusta. Zwischen den wenigen Livia zuordnenbaren Münzen der Reichsprägung, die sie jedoch nicht namentlich nennen, und der Fülle an Darstellungen in den Provinzen scheint zunächst ein großer Widerspruch zu bestehen, der untersucht werden soll. Weiterhin ist es von Nutzen dafür das literarisch vermittelte Bild hinzu zu ziehen. Die betrachtete Zeit umfasst die Regierung zweier principes und steht am Anfang der Münzprägung für Frauen des Kaiserhauses. Es ist nur in wenigen Fällen sicher möglich, sie zu datieren und oftmals wurden Motive auch unter Tiberius weiter geprägt.

Eine Möglichkeit bietet hier die Titulatur der Livia, sofern sie explizit genannt wird. Mit der Adoption nach dem Tod des Augustus in die julische Familie und der Annahme des Beinamens AUGUSTA, lassen sich Münzen, die sie IULIA, AUGUSTA oder IULIA AUGUSTA (bzw. ΙΟΥΛΙΑ ΣΕΒΑΣΤΗ) nennen, sicher in die tiberianische Zeit datieren, wogegen die Nennung als LIVIA (ΛΙΒΙΑ) auf ein Prägedatum vor 14 n.Chr. schließen lässt [1]. Weiterhin haben Gross und Hahn herausgearbeitet [2], dass sich in der Darstellung der Livia zwei Frisurentypen erkennen lassen, die ebenfalls eine, wenn auch nur grobe, zeitliche Zuordnung erlauben. Danach wird sie in den frühen Prägungen unter Augustus im Zopf-Typus portraitiert. Dies ändert sich bis zum Ende der augusteischen Regierungszeit zur Nodus-Frisur, welche sich fortan in der Prägung findet. Der Nodus-Typ besitzt jedoch sehr viel mehr Präsenz, was sich einerseits auf die größere Dichte an überliefertem numismatischen Material für die tiberianische Zeit zurückführen lässt, andererseits jedoch auch ein Hinweis sein kann, dass die von Hahn vorgenommene zeitliche Einordnung letztlich den Zopf-Typus zu lang ansetzt.

Neben Livia taucht unter Augustus eine weitere Frau des Kaiserhauses auf Münzen auf, seine Tochter Julia. Der Vollständigkeit halber werden hier Reichs- wie Provinzialprägungen untersucht werden. Abschließend sei noch bemerkt, dass auf eine biographische Einführung verzichtet und auf die Arbeiten zur Reichsprägung verwiesen und nur zum Zwecke der Interpretation oder Datierung auf den biographischen Zusammenhang hingewiesen wird. Der Übersichtlichkeit halber bietet es sich an, die Münzen zunächst danach zu ordnen, wie Livia und mit wem bzw. was sie darauf erscheint.

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2. Die Provinzialprägung in augusteischer Zeit


2.1. Themen und Motive

Unter Augustus wird Livia insbesondere auf Provinzen des Ostens geprägt, wogegen die westlichen (wie z.B. Hispania, Africa, Gallia) diesbezüglich sehr zurückhaltend auftreten. Sie erscheint auf dem Avers wie dem Revers und in Verbindung mit verschiedenen Personen der domus Augusta oder Gottheiten. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Prägungen, die sie in einen lokalen Kontext einer Stadt stellen.


a. Livia auf dem Avers

Münzen, die Livia als Profilbüste darstellen, erscheinen fast überall im Osten mit oder ohne Nennung ihres Namens. Da es sich aber anscheinend um ein einheitliches Portrait handelt [3], kann man von den benannten Münzen auf die anonymen schließen. Oftmals wird sie auf letzteren in einen lokalen Kult der Hera oder Artemis einbezogen (Chalkis, Ephesos, Kilikien) oder von einer Stadt direkt geehrt (Sparta). Die spartanische Prägung (Münzabbildung 1: RPC 1105) gibt den Hinweis auf den Münzschneider oder Prägeherrn C. Iulius Eurycles, was es ermöglicht die Münze auf den Zeitraum zwischen 31 und 2 v. Chr. zu datieren [4].


Münzabbildung 1: RPC 1105


Sie ist wahrscheinlich ins Jahr 21 v. Chr. oder kurz darauf zu datieren, denn in diesem Jahr ehrte Augustus nach dem Bericht des Cassius Dio Sparta für die gastfreundschaftliche Aufnahme der Livia in den Zeiten des Bürgerkrieges [5]. Diese Hypothese würde jedoch eine Münze der Livia sehr weit entfernt von den ersten sicher datierbaren Münzen (Alexandria 10/9 v. Chr.) und abschließend lässt sie sich auch nicht beweisen, da jeder Hinweis auf eine Verbindung der Prägung und der Ehrung Augustus’ fehlt, aber m. E. nachvollziehbar bleibt.

Livia wird namentlich auf Münzen immer in Verbindung mit einer Gottheit genannt, einerseits Hera (Eumeneia, Pergamon) und andererseits, der hellenistischen Tradition folgend, als vergöttlichte Herrscherin/Herrschersgattin selbst (Thessalonike). Hera ist die Göttin, mit der sie unter Augustus am meisten verbunden wird, in deren Kult sie eingebunden wird und es nicht nur Münzprägungen der ΗΡΑ ΛΙΒΙΑ gibt, sondern auch einen Kult dafür. In Pergamon ist ein Hera-Kult nachweisbar, und aufgrund der mythologischen-symbolischen Verbindung zw. Hera als Gattin des Zeus und Göttin der Ehe zur Herrschergattin, lässt es sich erklären, dass Livia anscheinend anfangs bevorzugt mit Hera gleichgesetzt wurde [6].

Besonders im Osten wurde Livia als Ehefrau des neuen Herrschers, Augustus, auch als göttergleiche Herrscherin wahrgenommen und als solche geehrt, wofür die Münzen aus Thessalonike sprechen, die auch noch unter Tiberius sehr häufig Livia abbilden. Sie wird hierauf als THEA bezeichnet und die parallelen Münzen für Augustus als Theos sprechen dafür, dass dort bereits zu Lebzeiten des Augustus ein Kult für ihn befand, in den Livia einbezogen wurde [7]. Der Revers zeigt ein Pferd oder Hirsch, wobei letzterer sie wieder, wie in Ephesos, mit Artemis verbinden würde.


Münzabbildung 2: RPC 2359


Die pergamenische Münze mit Livia als Hera (Münzabbildung 2: RPC 2359) trägt auf dem Revers das Portrait der Julia als Aphrodite. Da die Tochter des Augustus und Schwiegertochter der Livia 2 v. Chr. wegen Ehebruchs verbannt wurde, lässt sich zumindest ein terminus ante quem festlegen. Sie wird allgemein auf das erste vorchristliche Jahrzehnt datiert und Gross wie Winkes haben diese Münze in Verbindung gebracht mit der Ostreise des Agrippa (16-13 v. Chr.). Julia soll ihn darauf begleitet haben, wie es auch Livia für die Ostreise des Augustus nachgesagt wird [8]. Vielleicht erklärt dies das Auftreten der beiden Frauen auf einer Münze, doch scheint es mir keine völlig befriedigende Erklärung. Beide verkörpern als Göttinnen (auch in ihrer römischen Entsprechung Iuno und Venus) eheliche Verbundenheit und Fruchtbarkeit. Gleichzeitig wird so eine Eintracht innerhalb der domus Augusta geschaffen, indem Livia zur einzigen Tochter und Mutter der designierten Nachfolger in Beziehung gesetzt wird. Diese Münze deutet schon sehr früh eine durchaus dynastische Konzeption des Prinzipats an [9].


Münzabbildung 3: RPC 3143


In Eumeneia, wo bereits unter Augustus ein Kaisereion und damit Kult um die domus Augusta entstanden war [10], wurde Livia ebenfalls mit Hera gleichgesetzt (ΗΡΑ Λ[Ε]ΙΒΙΑ). Auf dem Revers von RPC 3143 (Münzabbildung 3) erscheinen nur die Stadtinitialen, d.h. die Stadt ehrt hiermit Livia direkt als Hera und Frau des Augustus.


b. Livia auf dem Revers

Livia erscheint auf dem Revers von provinzialen Münzen fast ausschließlich zusammen mit der Darstellung des Augustus auf dem Avers [11]. Dort entweder als Gattin des Augustus und damit als im hellenistischen Sinne Herrscherin (Magnesia ad Sipylum, Panormos) oder als bestimmte Göttin (Methyma, Tralles, Thessalien), also Personifikation bestimmter göttlicher, herrschaftlicher und weiblicher Attribute.

Auf der Münze aus Magnesia/ Lydien (RPC 2450; Nr. 20) wird Livia nicht selbst genannt, sondern wieder nur aufgrund des identischen Typus’ der Darstellung zu identifizieren ist. Sie trägt auf Prägungen aus Panormos/Sizilien (RPC 642f.: Münzabbildung 4 & 5) einen Schleier. Dieser könnte Hinweis auf ihre kultische Tätigkeit als Augustuspriesterin sein, doch müssen diese Münzen dann zwingend in die tiberianische Zeit datiert werden. Er könnte aber auch ein einfaches Zeichen kultischer Verehrung oder göttliches Attribut sein.

   
RIC 513
Münzabbildung 4: RPC 642
 
Münzabbildung 5: RPC 643


Weiterhin wird Livia als Hera, Demeter oder einfach nur als göttliche Herrscherin (THEA, THEA ΛΙΒΙΑ) geehrt, so u.a. in Methyma/Lesbos (RPC 2338; Nr. 18). Lesbos widmete dem julisch-claudischen Kaiserhaus viel Aufmerksamkeit und besonders die Frauen wurden herausgestellt und in den lokalen Kult mit einbezogen sowie selbst kultisch verehrt [12]. So nennt RPC 2338 sie auch ΘΕΑ ΛΙΒΙΑ auf dem Revers, wohingegen Augustus auf dem Avers lediglich mit der Legende ΣΕΒΑΣΤΟΣ ausgewiesen wird. Eine ähnliche Münze, die Livia mittels der Umschrift deutlich heraus und über Augustus stellt, findet sich noch in Klazomenai/Ionien (RPC 2496, Nr. 23), die Augustus auf dem Avers überhaupt nicht nennt, Livia dagegen ebenfalls ΘΕΑ ΛΙΒΙΑ betitelt. Andere Münzen der augusteischen Zeit stellen sie innerhalb der Doppelportraitmünzen mit Augustus in Verbindung mit Hera (Thessalien, RPC 1427; Nr. 15) und Demeter (Tralles/Lydien, RPC 2647; Nr. 25) dar.

Die Münze der Thessalier, wo Livia anhand der Bezeichnung als ΗΡΑ ΛΙΒΙΑ identifiziert werden kann, wird von Hahn sehr früh, möglicherweise noch in die Bürgerkriegszeit angesetzt, was mir jedoch zu wenig begründet scheint [13]. Nach ihr ist ein Hera-Kult für Thessalien nicht unbedingt nachzuweisen, dagegen lässt eine spätere Datierung wieder die Interpretation zu, dass es sich um eine parallele Deutung der Herrschersgattin zu Augustus handelt. In Lydien dagegen wird Livia als Demeter verehrt, was zunächst auf die lokale Verehrung dieser Göttin zurückzuführen ist [14]. Demeter (Ceres) symbolisiert als Göttin des Wachstums den Erntesegen und die Fruchtbarkeit, weshalb sie mit Fruchtkorb, Kornähren, Mohn oder Füllhorn dargestellt wird [15]. Livia wird mit ihr verbunden als Mutter des Staates, die für dessen Wohlfahrt Sorge trägt. Dass die Ehe mit Augustus kinderlos blieb spielt hierbei eine untergeordnete Rolle, da es sich um eine symbolische Funktion handelte. Die designierten Nachfolger waren zunächst einmal Enkel des Augustus und mit ihr nicht verwandt, erst die Adoption des Tiberius füllt sie die Rolle der Mutter des zukünftigen Herrschers wirklich aus [16]. Vorher wirkt dies alles als Konstruktion, die im Reich z.B. durch die Ara Pacis dargestellt wurde und sich in den Provinzen durchaus auch auf den Münzen widerspiegelt, wie ein Blick auf Prägungen der Livia zusammen mit anderen lebenden Personen zeigt.


c. Darstellungen der Livia zusammen mit anderen Personen

Den Großteil der Prägungen zusammen mit anderen lebenden Personen bilden natürlich die gemeinsamen Münzen mit Augustus, wovon die Doppelportraits mit Livia auf dem Revers bereits besprochen wurden. Ein weiterer Münztyp sind dann die Staffelportraits mit ihm zumeist auf dem Avers. Sie finden sich im gesamten Osten und die Reversmotive zeigen wieder eine starke Verbundenheit zu lokalen Kulten.

Livia erscheint dabei hinter Augustus und, wie Winkes ausgeführt hat, wird ihre Physiognomie an die des Herrschers angeglichen. Dies sei typisch für derartige Abbildungen und bezüglicher der hellenistischen Wahrnehmung von Herrscherpaaren, innerhalb derer natürlich der Mann eindeutig Vorrang genoss, weil er letztlich die Herrschaft faktisch ausübte, scheint mir dies auch nachvollziehbar [17]. Wie bereits erwähnt, handelt es sich ohnehin um ein idealisiertes und lange geltendes Liviaportrait, dass vielleicht schon in der Ausarbeitung an Augustus angeglichen wurde. Da sie auf den Staffelportraitsmünzen hinter Augustus abgebildet ist, kann man diese Frage aufgrund der wenigen erkennbaren Züge wohl nicht endgültig klären. Wichtig ist, dass diese Münzen in der deutlichsten Form ausdrücken, dass der Osten Augustus und Livia als neue Herrscher ansah und dies auch in epigraphischen wie numismatischen Zeugnissen würdigte. Hier unterscheidet sich die Wahrnehmung von der des Westens und erklärt mitunter die große Diskrepanz in der Münzprägung. Während Augustus im Westen bemüht war, die Wiederbelebung der Republik vorzugeben und den Eindruck der tyrannis zu vermeiden, indem er sich als primus inter pares repräsentierte, stellte er sich im Osten ganz in die Tradition hellenistischer Herrscher. Dies zeigt die Prägung des thrakischen Königs (RPC 1708: Münzabbildung 6) sehr deutlich, auf der das thrakische Königspaar gestaffelt auf dem Avers erscheint und Augustus mit Livia (ebenfalls gestaffelt) auf dem Revers.


Münzabbildung 6: RPC 1708


Smyrna/Ionien prägte ausgesprochen viele Münzen für Augustus und Livia, u.a. auch welche, die das Staffelportrait beider auf dem Avers zeigen und auf dem Revers Aphrodite (RPC 2466; Abb. 2). Sie werden als ΣΕΒΑΣΤΟΙ bezeichnet, d.h. im Osten war die Bezeichnung der Livia als Augusta nicht ungewöhnlich, sondern parallel zum Ehrennamen ihres Mannes verwendet, wenngleich noch nicht explizit mit ihr allein verbunden als ΣΕΒΑΣΤΗ.

Aphrodite Stratonikis wurde in Smyrna in einem eigenen Heiligtum verehrt, was z.B. eine Münze des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts zeigt, die sie ebenfalls zusammen mit Nike darstellt [18]. Doch auch ohne Nike wurde Aphrodite dargestellt (RPC 2464; Nr. 21). Aphrodite als Göttin der Liebe, und wieder der Fruchtbarkeit, steht wie schon Demeter für den daraus erwachsenen Wohlstand aber auch für Verbundenheit. In letzterer Funktion, die sich m. E. aus der archaischen Bedeutung der Aphrodite als Göttin des Geschlechtstriebes ableiten lässt, steht Livia insbesondere auf der Prägung aus Smyrna (RPC 2467; Nr. 22), die sie als Göttin auf dem Revers zeigt und Augustus mit Tiberius auf dem Avers. Sie sind nicht gestaffelt, sondern einander zugewandt dargestellt und die Umschrift ehrt Tiberius Caesar, d.h. Tiberius als präsumtiven Nachfolger, weshalb man diese Münze wohl nach die Adoption (4 n.Chr.) datieren muss. Livia wird auf dem Revers benannt. Sie wird mit dieser Münze innerhalb eines lokalen Kultes, der anscheinend den Kaiserkult aufgenommen hatte (jedenfalls sprechen die vielen Aphrodite-Münzen dafür, wogegen der Rest des Ostens Livia eher mit Hera oder Demeter verbindet), als Mutter des zukünftigen Kaisers geehrt, aber natürlich auch als Frau des momentanen und damit als verbindendes weibliches Element.

Ein weiteres Motiv, wo Augustus und Livia gestaffelt geprägt werden, ist das der Demeter in einer Prägung aus Bithynien (RPC 2097; Nr. 17). Diese ist insofern sehr interessant, weil sie der Aureus und Denar-Prägung im Reich (hier als Ceres) sehr nahe kommt. Während allgemein das Staffelportrait nach rechts ausgerichtet ist, ist dies meines Wissens die einzige Münze, die beide nach links mit der Umschrift IMP CAESAR AVGVSTVS PONTIF MAX TR P darstellt [19]. Der Revers zeigt eine thronende Frauengestalt mit Füllhorn und es ist durchaus berechtigt diese als Livia zu identifizieren, die als Ceres dargestellt wird. Geprägt wurde diese Münze unter dem Prokonsul Granius Marcellus, wie aus der Umschrift hervorgeht, der 14/15 n.Chr. dieses Amt innehatte, weshalb diese Münze, wie auch die entsprechenden Reichsprägungen, ans Ende der Regierungszeit des Augustus zu datieren sind und es sich wahrscheinlich um eine provinziale Nachprägung des Reichstypus handelt.

Neben Augustus wird Livia auch mit anderen Personen zusammen abgebildet, die bereits besprochenen Münzen aus Smyrna und Pergamon seien hier nun ausgenommen. Aus Moesien stammt eine Münze (RPC 1823: Münzabbildung 7), die sie eventuell ebenfalls mit Julia darstellt, doch ist diese Interpretation durch keine Umschrift gesichert. Der Avers zeigt ein Staffelportrait zweier Frauengestalten mit der Umschrift ΟΜΟΝΟΙΑ – ΕΥΕΤΗΡΙΑ.


Münzabbildung 7: RPC 1823


Die Frauen tragen beide die für Livia typische Frisur mit Stirnbausch und Haarknoten und könnten durchaus Livia und Julia darstellen, da sie auf der Prägung aus Pergamon ebenfalls mit identischer Frisur dargestellt werden, was möglicherweise familiäre Einheit und Zugehörigkeit ausdrückt. Dennoch erscheint es eigentümlich, dass sie in der Darstellungsweise eines Herrscherpaares hier auftauchen, die ansonsten nur Augustus und Tiberius vorbehalten ist. Es scheint mir daher nahe liegender, dass es sich hier um Darstellungen der Göttinnen Homonoia (Concordia) und Eueteria (Abundantia) handelt, welche zwar in der Darstellung der Livia erscheinen, diese jedoch nicht explizit portraitieren oder sie als Verkörperung dieser Gottheiten zeigt. Eintracht als Tugend der Ehe und Wohlstand eines Volkes können mit Livia in Verbindung gebracht werden. Spätere Kaiserinnen werden besonders mit der Homonoia/Concordia verbunden[20], so dass als weitere Interpretation noch zur Debatte stehen muss, dass diese Münze nicht augusteisch ist, sondern eine spätere Prägung, die sich an die Darstellung der Livia anlehnt.

Neben der Darstellung zusammen mit ihrem Sohn Tiberius als designierten Nachfolger gibt es zwei weitere Münzen, die sie ebenfalls mit den für die Nachfolge auserkorenen Enkeln des Augustus zeigen, welche von ihm adoptiert worden waren. Eine Münze aus Magnesia ad Sipylum (RPC 2449; Nr. 19) zeigt auf dem Avers das Staffelportrait von Augustus und Livia, auf dem Revers Lucius und Gaius Caesar einander zugewandt. Gezeigt werden demnach das Herrscherpaar und die Nachfolger und damit rückt Livia in die Position derer Mutter. Dies drückt natürlich die Eintracht innerhalb der kaiserlichen Familie aus und soll Sicherheit der Herrschaft mittels einer gesicherten Nachfolge herausstellen. Dies ist eindeutig dynastisch zu interpretieren und geschieht wieder aus einem östlichen Herrschaftsverständnis heraus, welches eine dynastische Herrschaftsrepräsentation nicht anprangerte. Derartige Münzen gibt es für die Reichsprägung nicht. Eine Münze aus Tralles (RPC 2648; Nr. 26) zeigt den künstlich hergestellten familiären Verbund zwischen Livia und den Enkeln des Augustus noch deutlicher. Der Avers zeigt Gaius Caesar und der Revers Livia. Diese ist zwischen 2 und 4 n. Chr. zu datieren, d.h. sie ist nach dem Tod des Lucius Caesar geprägt worden, als nur ein Nachfolger ‚übrig’ geblieben war. Livia wird als Demeter dargestellt mit Mohn und Kornähren und insbesondere der Mohn erinnert an ihre mythologische Rolle als Mutter der Persephone und daraus resultierende Göttin der Fruchtbarkeit und des nährenden Zyklus. Während also Livia das Wohl des Staates garantieren soll (in ihrer Rolle als Demeter), soll gleiches auf politischer Ebene Gaius als Nachfolger tun.

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3. Die Münzen der Iulia maior




Die Tochter des Augustus wurde ebenfalls auf Münzen geehrt, doch dies zumeist in der Rolle der Tochter oder der Gemahlin des Agrippa. Ihre weiteren Ehen mit Marcellus und mit Tiberius finden keinen Niederschlag. Als Grund hierfür ist wohl zu nennen, dass Julia ihrer Pflicht nachkam und mit Agrippa zwei Söhne zeugte – Gaius und Lucius Caesar, die sofort auf ihre spätere mögliche Nachfolge hin herausgestellt wurden[21]. Iulia in ihrer Funktion des Bindegliedes erhielt eine dementsprechende Ehrung auf Münzen auch im Reich, auch wenn sie nicht mit Namen genannt wird.
Nach der Geburt des ersten Sohnes Gaius, 20 v. Chr., wurde unter P. Petronius Turpilianus ein Aureus geprägt (RIC 287; Abb. 28), der auf dem Avers die römische Göttin Libera darstellt. Diese wird typischerweise mit einem Efeukranz dargestellt, was ihrer mythologischen Schwesternschaft zu Liber, einem altitalienischen Pendant zu Dionysos, entspricht[22]. Sie steht daher ebenfalls für Fruchtbarkeit und so wird die Freude über die Geburt eines männlichen Erbens ausgedrückt. Es erscheinen nach der Geburt des zweiten Sohnes Lucius, 17 v. Chr., weitere Münzen, die sie als Diana mit Augustus abbilden (RIC 403; Abb. 27) und sie von ihren Söhnen umrahmt zeigen (RIC 405; Abb. 29[23]). Erstere zeigt sie auf dem Revers mit Köcher und Stephane oder Diadem als Symbol einer Göttin, letztere stellt ihre Büste zwischen die der Söhne und darüber ist ein Ehrenkranz zu sehen.

Diana in ihrem altitalienischen Bezug ist wiederum eine Beschützerin der Fruchtbarkeit im Pflanzen- und Tierreich wie unter den Menschen. Von diesen wird sie auch als Geburtshelferin und allgemeine Frauengottheit verehrt[24]. Beide Münzen lassen sich ziemlich sicher ins Jahr 13 v. Chr. datieren, da sie den Münzschneider C. Marius Tromentina angeben, auf den sich auch das IIIviri bezieht, wobei ein monetales zu ergänzen ist. Er war einer von drei Münzmeistern. In diesem Jahr verlängerten Augustus und Agrippa ihre tribunizische Gewalt und alle drei Münzmeister prägten ihnen zu Ehren und wahrscheinlich primär aus diesem Anlass. Kahrstedt hat vermutet, dass Marius Tromentina Julia auf den Münzen darstellte, um an die Proklamation der beiden Söhne als principes iuventutis zu erinnern und so gleichzeitig als Bindeglied zwischen ihnen und dem Kaiser geehrt wird[25]. Die Datierung spricht gegen diese Annahme, da die Ehrung durch den Titel erst im Jahr 1 n.Chr. stattfand, also drei Jahre nach der Verbannung der Julia, was es unmöglich erscheinen lässt, dass noch Münzen mit ihrem Bild geprägt werden. Es ist vielmehr anzunehmen, dass aud Anlaß der erneuerten tribunicia potestas und denn dafür geprägten Münzen auch der dynastische Aspekt aufgegriffen wurde und Julia für ihre Leistung, dem Augustus zwei männliche Erben zu schenken geehrt wurde[26].
Über die Zeit jedoch scheinen mir die Grenzen verwischt worden zu sein und ihre Rolle als Bindeglied an Bedeutung verloren zu haben. Seit 17 v. Chr. waren ihre Söhne offiziell adoptiert und somit Erben des Augustus. Wie die Provinzialprägung für Livia zeigte, ging man alsbald daran, nun diese als Mutter der Enkel darzustellen und so zwischen im Osten anerkannter Herrscherin und Nachfolgern herzustellen. Die östlichen Münzen für Julia scheinen daher eher aus ihren Besuchen und der Ehe mit Agrippa zu rühren bzw. an diese zu erinnern, d.h. sie müssen vielleicht mehr als Loyalitätsbeweis nach den Bürgerkriegen und der weiten Parteinahme für Antonius im Osten gesehen werden. Ihre frühe Verbannung und das damit verbundene Ausscheiden aus der herrschaftlichen Repräsentation mögen auch ihr nur geringes Auftreten auf Münzen im Osten erklären. Sie wurde jedoch wie auch die anderen Frauen des Kaiserhauses auf epigraphischen Zeugnissen geehrt, und dies besonders wieder auf Lesbos[27]. Sie wird dort als ΣΕΒΑΣΤΗ und auch ΤΗΕΑ bezeichnet, d.h. mit Titeln identifiziert, wofür sich im Reich überhaupt keine Hinweise finden lassen. Im Osten sind Aphrodite/Venus und Artemis/Diana die Göttinnen, mit denen sie verbunden wird, auch wenn es für Julia weniger Anzeichen für eine eigene kultische Verehrung gibt. Sofern es sich nicht um lokale Kulte der Aphrodite oder Artemis handelt, kann man davon ausgehen, dass sie bezüglich ihrer Fruchtbarkeit und damit ehelichen wie mütterliche Pflichterfüllung geehrt wird. D.h. ihre provinziale Wahrnehmung nicht darüber hinausgeht, Ehefrau und Tochter zu sein. Diese Funktion stellt man auch im Reich dar, nur dass man diese hier mittels einer mythologischen Ikonographie und abwesender namentlicher Nennung verschleiert. Sie enthält eine dynastische Komponente und zeigt die Bedeutung der Frauen in der Familienpolitik des Augustus.

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4. Zusammenfassung




In den Münzen der Provinzialprägung unter Augustus tritt deutlich ein hellenistisches Herrschaftsverständnis zu Tage, welches der Reichsprägung konträr gegenübersteht. Während im Reich Livia zwar geehrt wird und eine außergewöhnlich Stellung bekleidet, erfährt sie nur in den Provinzen diese auch auf Münzen. Hier wird sie als Gattin des Herrschers und damit auch als Herrscherin wahrgenommen und als solche geprägt. Dies schlägt sich in der Titulatur nieder und in dem für Augustus wie Livia göttlichen Kontext. Livia wird in den traditionellen östlichen Herrscherkult mit einbezogen und kultisch verehrt. Insbesondere auf Lesbos und mit dieser Insel bleiben gerade die julischen Frauen verbunden und erfahren dort göttliche Ehren. In dieser Weise wird Livia auch größtenteils als Hera dargestellt, die Göttin der Ehe und die Gattin des Zeus. Gleichzeitig wird für Livia wie für Iulia deutlich, was für eine Rolle sie innerhalb der domus Augusta besonders für die dynastische Legitimation spielen. Livia erscheint daher auch mit den möglichen und herausgestellten Nachfolgern. Für diese Stelle als berechtigte Erben war die Adoption entscheidend und im Osten erscheint die nun eingenommene Stellung der Livia als Mutter des Nachfolgers auch in den Münzmotiven.

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5. Literatur- und Quellenverzeichnis




Quellen

- Cassius Dio: Roman History; ed. G.P.Goold, transl. E.Cary; London6 1994.


Monographien und Aufsätze

- Barrett, A.A.: Livia. First Lady of Imperial Rome; New Haven/London 2003.

- Fraschetti, Augusto: Livia the politican, in: Fraschetti, Augusto (Hrsg.), Roman woman, Chicago London 2001.

- Gross, W.H.: Iulia Augusta. Untersuchungen zur Grundlegung einer Livia-Ikonographie; Göttingen 1962.

- Hahn, U.: Die Frauen des römischen Kaiserhauses und ihre Ehrungen im griechischen Osten anhand epigraphischer und numismatischer Zeugnisse von Livia bis Sabina; Saarbrücken 1994.

- Kahrstedt, U.: Frauen auf antiken Münzen, Klio 10, 1910, S. 208-218.

- Kleiner, D.E.E.: Politics and Gender in the Pictorial Propaganda of Antony and Octavian; Echos du monde classique. Classical Views 36, 1992, S. 357-367.

- Winkes, R.: Livia, Octavia, Iulia. Portraits und Darstellungen; Transatlantica XIII; Louvain-la-Neuve 1995.


Nachschlagewerke

- Hunger, H.: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie; Wien 1988 (8. erweiterte Auflage).

- Der Neue Pauly: Enzyklopädie der Antike, Band 4, hrsg. von H. Canick, Stuttgart 1998.

- Roscher, W.H.: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie; Bd. I.1.; Hildesheim/Zürich/New York.


Münzkataloge

- RPC: Roman Provincial Coinage, Volume I (From the death of Caesar to the death of Vitellius. 44 B.C.-69 A.D.); hrsg. von Andrew Burnett, Michael Amandry; Pere Pau Ripollès; Paris 1992.

- RIC: The Roman Imperial Coinage, Band 1 (31 b.c.-69 a.d.), hrsg. von H. Mattingly und E. A. Sydenham, London 1984.


Fußnoten

[1] Livia wird bereits vor dem Tode des Augustus in griechischen Städten mit den Titeln ΣΕΒΑΣΤΗ und ΤΗΕΑ bezeichnet, jedoch nicht in Verbindung mit IULIA/ΙΟΥΛΙΑ.

[2] Vgl. Hahn, U.: Die Frauen des römischen Kaiserhauses und ihre Ehrungen im griechischen Osten anhand epigraphischer und numismatischer Zeugnisse von Livia bis Sabina; Saarbrücken 1994 [im Folgenden mit ‚Hahn’ abgekürzt]; S. 61; Gross, W.H.: Iulia Augusta. Untersuchungen zur Grundlegung einer Livia-Ikonographie; Göttingen 1962 [im Folgenden mit ‚Gross’ abgekürzt]; S. 22f.

[3] Livia besaß bereits sehr früh eine Ausnahmestellung unter den römischen Frauen, die sie mit Octavia teilte und die letztlich wohl nur von den Vestalinnen überboten wurde. Sacrosanctitas wie ein Volkstribun, das Recht ihr Vermögen selbst zu verwalten und schließlich wurden beiden noch Bildnisstatuen errichtet (vgl. Cass. Dio 49, 38, 1; Fraschetti, Augusto: Livia the politican, in: Ders., Roman woman, Chicago London 2001; S. 105), d.h. seit 35 v. Chr. kann man von einem festen ‚offiziellen’ Portrait ausgehen, welches sich auch in den Osten verbreitet haben wird. Dies erklärt vielleicht die ungeheure Ähnlichkeit im gesamten Reich.

[4] C. Iulius Eurycles hatte sich in den Bürgerkriegen auf die Seite Octavians gestellt und war dafür mit dem römischen Bürgerrecht belohnt worden. Der Name weist darauf hin, dass er bereits das Bürgerrecht besitzt, also auf die Ehrungen im Zuge des Spartabesuchs um 21 v. Chr. 2 v. Chr. soll er verstorben sein. Vgl. Kienast, D., Eurykles, Der Neue Pauly, Bd. 4, Sp. 299.

[5] Vgl. Cass. Dio 54, 7, 1f.; Fraschetti, S. 102.

[6] Vgl. Hahn, S. 42f.

[7] Vgl. Hahn, S. 38.

[8] Vgl. Winkes, R.: Livia, Octavia, Iulia. Portraits und Darstellungen; Transatlantica 13; Louvain-la-Neuve 1995 [im Folgenden als ‚Winkes’ abgekürzt]; S. 19; Gross, S. 29f.; Barrett, A.A.: Livia. First Lady of Imperial Rome; New Haven/London 2003 [im Folgenden als ‚Barrett’ abgekürzt]; S. 36f.; Fraschetti, S. 107; Hahn, S. 34.

[9] In diesem Zusammenhang sei auf den Exkurs zu den Münzen der Julia maior in Abschnitt 3 verwiesen.

[10] Hahn, S. 43.

[11] Die Ausnahme bildet RPC 2648 aus Tralles, die weiter unten besprochen werden wird.

[12] Vgl. Hahn, S. 39

[13] Vgl. Hahn, S. 42.

[14] Vgl. Hahn, S. 386.

[15] Zum Demetermythos und Kult vgl. Hunger, H.: Lexikon der griech. und röm. Mythologie, Wien 1988 (8. erweiterte Auflage), S. 121-123.

[16] Zur Zurückstellung ihres Sohnes Tiberius mit der Geburt der Söhne der Julia, sowie ihren Bemühungen für beide Söhne, vgl. Barrett, S. 38f.-42.

[17] Vgl. Winkes, S. 20 für Münzen aus Ephesos.

[18] Vgl. BMC 27 var. vgl. weitehin Hahn, S. 48, 382.

[19] Vgl. Winkes, S. 20.

[20] Erstmalig tritt in der Provinzialprägung das Motiv der Homonoia/Concordia unter Caligula in Verbindung mit dessen Schwester Iulia Drusilla (RPC I 2014) auf.

[21] Hierfür spricht wohl, dass Augustus sehr bald nach der Geburt den Gedanken äußerte, sie zu adoptieren und sie so zu den fehlenden männlichen Erben zu machen. Vgl. Barrett, S. 39.

[22] Vgl. Hunger, S. 295f.

[23] Die im Münzdossier befindliche Abbildung ist eine spätere Nachahmung dieser Münze und wurde mit einem anderen Avers-Motiv geprägt. Die hier erfolgte Interpretation richtet sich nach der Beschreibung im RIC.

[24] Vgl. Birt, Th., Diana, in: Roscher, W.H.; Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie; Bd. I.1.; Hildesheim-Zürich-New York; Sp. 1002, 1007.

[25] Vgl. Kahrstedt, U.: Frauen auf antiken Münzen, Klio 10, 1910; S. 294.

[26] Vgl. Kleiner, D.: Politics and Gender in the Pictorial Propaganda of Antony and Octavian, Classical Views 36, 1992, S. 365.

[27] Vgl. dazu Hahn, S. 106-109.

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