Kaiserfrauen auf Münzen unter Nero


verfasst von Anja Schulz

 

1. Einführung

2. Iulia Agrippina

2.1. Die Reichsprägung

2.2. Die Provinzialprägung

3. Die Ehefrauen Neros

3.1. Claudia Octavia

3.2. Poppaea Sabina

3.3. Statilia Messalina

4. Zusammenfassung

5. Literatur- und Quellenverzeichnis




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1. Einführung


Hinweis zum Verständnis: Die genannten Abbildungen beziehen sich auf die Münzabbildungen im Münzdossier (PDF- Datei)

Das Leben des Nero – insbesondere mit Blick auf die ihn umgebenden Frauen – ist seit der Antike Gegenstand der Spekulation und Geschichtenbildung. Dennoch scheint es für die Betrachtung seiner Münzprägungen unerlässlich, dies kurz zu umreißen. Nero wurde am 15. Dezember 37 n.Chr. als Lucius Domitius Ahenobarbus geboren [1]. Als Sohn der Iulia Agrippina und des Cnaeus Domitius Ahenobarbus wurde er in eine prominente Familie und Stellung hineingeboren: über seinen Vater war er der Urgroßenkel Octavias, der Schwester des Augustus. Seine Mutter, Schwester des regierenden Princeps Caligula, verband ihn in direkter Linie mit dem ersten Princeps. Er war also legitimer Nachfahre des Augustus, Stifters der domus Augusta, der es an männlichen Mitgliedern insofern mangelte, als dass sie Gefahr liefen recht früh und oftmals unfreiwillig zu versterben [2]. Neben dem zurückgestellten Claudius und dem kinderlosen Caligula, war Nero das einzige männliche Mitglied der domus und somit auch ein möglicher Nachfolger. Dazu kam die Selbstsicht seiner Familie, die vom Gefühl geprägt war, um das Erbe immer wieder betrogen worden zu sein: Über seinen Großvater Germanicus kursierten schon unter Augustus Gerüchte der Nachfolge und die Erzählungen über den Tod der Eltern und Geschwister seiner Mutter Agrippina wollten ebenfalls nicht verstummen [3].

Seine Mutter Agrippina war sich ihrer Stellung innerhalb der domus bewusst und wird dies auch an den Sohn weitergegeben haben [4]. Dies zeigt sich auch in ihren durchaus konventionellen Bemühungen, ihren Sohn zu fördern [5], wenngleich dieses Engagement im Lichte der späteren nerofeindlichen Geschichtsschreibung ihr Bild als eifersüchtige, intrigante, machtbesessene und dafür mordende Furie begründete [6]. Ihre Hochzeit mit Claudius 49 n.Chr. sicherte ihm die Nachfolge und wurde durch die Verlobung mit Claudia Octavia, seiner Stiefschwester, bekräftigt. Nach der Adoption ein Jahr später und der Hochzeit 53 n.Chr. konnte kein Zweifel mehr bestehen, dass er dem greisen Claudius nachfolgen würde [7].

Bis zu ihrer Ermordung 59 n.Chr. stellen Münzen des Reiches wie auch der Provinzen vor allem Agrippina dar. Seine drei Ehefrauen – Claudia Octavia, Poppaea Sabina und Statilia Messalina – dagegen tauchen in der Reichsprägung überhaupt nicht auf. Sie werden daher zusammen betrachtet, weil sich einzelne Motive stark wiederholen und kaum zu vermuten ist, dass diese Ehrungen einen derart persönlichen bzw. individuellen biographischen Bezug haben, wie das bei der Mutter der Fall ist.


2. Die Mutter – Iulia Agrippina


2.1. Die Reichsprägung

Schon auf den Münzen des Claudius kam Agrippina eine besondere Bedeutung zu, denn sie erschien zusammen mit ihrem Sohn und auf dem Avers als Münzherrin ausgewiesen. Dieses selbstbewusste Auftreten der Kaisergattin, wobei der Adoptivsohn eindeutig über den leiblichen Sohn gestellt wurde, der keine der Ehrungen des Nero erhalten sollte, lässt einen großen Einfluss nicht nur auf den Kaiser vermuten. Der Herrscherwechsel, begleitet von den Gerüchten ihrer Urheberschaft am Giftmord, lässt sich ohne ihre Dominanz nicht vorstellen [8]. Hatte sie vorher für Ausbildung und Adoption ihres Sohnes gesorgt, wird sie den gerade 17jährigen auch jetzt beraten haben. Dafür spricht die ausgegebene Parole an die Prätorianer, deren Gunst er sich zuerst sicherte: optima mater [9]. Nach seinem Herrschaftsantritt wurden Agrippina dann besondere Ehren zuteil – das Recht auf zwei Liktoren sowie das Amt der Claudiuspriesterin, was nunmehr in die Nähe der Livia rückte [10]. Die Münzen der Reichsprägung unterstreichen das Bild der Quellen, wenngleich dieses natürlich von den Topoi der herrschsüchtigen Frau befreit werden muss, von einer faktischen Mitherrschaft der Agrippina [11]. Auf der ersten Prägeserie in Gold und Silber (Oktober-Dezember 54 n.Chr.) erscheinen Agrippina und Nero einander zugewandt auf dem Avers eindeutig als Herrscherpaar und die Darstellung adaptiert einmalig dieses hellenistische Motiv auf einer Münze des Reiches (Abb. 1) [12]. Erstmalig wurde eine lebende Kaiserfrau zusammen mit dem lebenden Herrscher auf einer Münzseite abgebildet. Der Revers zeigt einen Ehrenkranz mit eingeschlossenem EX SC, was diese Münze zumindest formal als eine vom Senat initiierte Prägung ausweist.


   
RIC 513

RIC 1

Av.: AGRIPP(ina) AVG(usta) DIVI CLAVD(i uxor) NERONIS CAES(aris) MATER; Rv.: NERONI CLAVD(i) DIVI F(ilius) CAES(ar) AVG(ustus) GERM(anicus) IMP(erator) TR(ibunicia) P(otestas)

 

RIC 6


Agrippina wird nicht nur als Münzherrin im Nominativ genannt, sondern ihr Sohn und Kaiser – auf in römischen Augen wohl unerhörter Weise – zurückgestellt, indem er auf dem Avers nur in der Filiation nach der Nennung von Mutter und deren vergöttlichten Ehemannes Claudius genannt wird. Auch die Reversumschrift weist ihn erst ganz am Ende als Kaiser aus und so bleibt der Eindruck, dass hier bildlich manifestiert wird, dass Nero zwar dem Titel nach Herrscher war, nicht aber faktisch [13].
In der folgenden Serie (Januar-November 55 n.Chr.) sind die Umschriften von Avers und Revers vertauscht (Abb. 2) und wieder findet sich ein einmaliges Novum. Auf dem Avers erscheinen Nero und seine Mutter im hellenistischen Staffelportrait. Wenngleich hinter dem Kaiser abgebildet bleibt sie als Mitregentin dargestellt. Dieses Motiv findet sich vorher nur auf Münzen der Provinzen. Dort blieb diese Darstellungsweise nicht nur auf die Gattin des Kaisers beschränkt, wie eine Prägung mit dem Staffelportrait von Tiberius und Livia aus Aphrodisias (RPC 2842) zeigt. Auf dem Revers erscheint eine Elefantenquadriga mit einem darauf thronenden Paar mit Zepter.

Zepter, Thron und Elefant sind göttliche Attribute, so dass es wahrscheinlich ist, dass die beiden Figuren das vergöttlichte erste Herrscherpaar Augustus und Livia [14] darstellen – die Begründer der iulischen-claudischen Dynastie, in deren Tradition sich Nero (wie auch Agrippina) sahen. Zwei Serien von Sesterzprägungen des Tiberius unterstreichen diese Deutung. Sie zeigen auf dem Avers ebenfalls eine Elefantenquadriga, jedoch mit nur einer Person darauf [15]. Die Münzen wurden zu Ehren des vergöttlichten Augustus geprägt, worauf die Inschrift DIVO AVGVSTO SPQR verweist. Dieses Motiv wird nun aufgenommen und um die erst unter Claudius vergöttlichte Livia ergänzt [16]. Die Herrschaft wurde somit legitimiert und Nero als letzter direkter Verwandter zu Augustus herausgestellt [17].

Diese späteren Münzen des Nero liefern zwar Variationen, die Agrippina etwas zurückstellen, doch bleibt sie eindeutig als Mitregentin dargestellt. Der erst folgende Bruch spiegelt sich darin noch nicht wider, sondern erst in der Abwesenheit weiterer Reichsprägungen für sie [18]. Die literarische Überlieferung für die Jahre 55-59 n.Chr. spiegelt sich in der Münzprägung wieder. Tacitus überliefert, dass ab dem Jahr 55 n.Chr. aufgrund von Neros Beziehung zu der Freigelassenen Acte ein Bruch zwischen Kaiser und seiner Mutter zu verzeichnen war, der zulasten Agrippinas gehen sollte [19]. Die Zwietracht wuchs schnell, sodass Nero schon zu diesem frühen Zeitpunkt darüber nachdachte, nachdem der freigelassene Schauspieler Paris ihn mit einem Verschwörungsszenario in Angst und Schrecken versetzt hatte [20], sie zu töten. Agrippina war zu einer Gefahr geworden, indem sie nun öffentlich für die leiblichen Kinder des Claudius – Britannicus und Octavia – Stellung bezog, sodass man ihr die Ehre einer eigenen Leibwache und der Germanengarde wieder absprach und sie in das Haus der Antonia abschob [21]. Dies war das Signal an die Öffentlichkeit, dass ihr Einfluss gebrochen war und diese reagierte sofort, indem man sie nicht mehr zur salutatio beehrte [22]. Diese Entwicklung erklärt die Abwesenheit von Münzen für die Mutter im Reich in den folgenden Jahren bis zu ihrer Ermordung 59 n.Chr.

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2.2. Die Provinzialprägung

Der Osten prägte Münzen für Agrippina als Gattin des Claudius und wie für sie als Mutter des Nero. Die Motive bewegen sich hierbei entsprechend der Tradition der Prägungen für die anderen Frauen der iulisch-claudischen Dynastie [23]. Sie erscheint zusammen mit Nero auf dem Avers, sowohl einander zugewandt (Abb. 3, 4) als auch gestaffelt (Abb. 5). Die Motive auf dem Revers stehen eher in lokalem oder allgemeinen kultischen Kontext als dass sie persönlich interpretiert werden könnten, so z.B. die Nemesis-Darstellung auf einer Prägung aus Smyrna, wo ein Nemesis-Kult nachweisbar ist. Die Prägung aus Magnesia ad Sipylum ist insofern interessant, da sie Nero und Agrippina auf dem Revers in den Demeterkult einbindet. Aus demselben Prägeort sind weitere Münzen nachweisbar, die Nero und Agrippina abbilden sowie später Nero und Poppaea, was für einen ausgeprägten Kaiserkult dort spricht (Nr. 11, 12).


    RIC 513
RPC 2479
 
RPC 2457


Weitere Münzen, die den bekränzten Nero auf dem Avers zeigen und Agrippina auf dem Revers, stammen beispielsweise aus Caesarea/Kappadokien, wo sie mit ihrem offiziellen Titel als MATER AVGVSTI bezeichnet wird (Abb. 6) [24]. Ansonsten wird sie zumeist als SEBASTH (Abb. 7, Nr. 2, 11), vereinzelt auch als THEA (Abb. 8) bezeichnet. Letzteres lässt auf einen Kult für sie schließen, der wohl von der Mutter auf sie als Tochter des Germanicus übergegangen war. Allgemein fällt jedoch auf, dass sich diesbezüglich weniger Zeugnisse finden lassen als vermutet. Zwischen dem Auftreten des Germanicus und seiner Frau im Osten und dem Herrschaftsantritt des Nero lag mittlerweile eine Generation und vielleicht begann sich die große Sympathie für diese Familie auszukühlen.


    RIC 513
RPC 2434
 
RPC 3632


In Caesarea Maritima/Syrien (Abb. 9) wie Hierapolis/Phrygien (Nr. 9) wurde das Motiv der Liviamünzen unter Tiberius aufgenommen, welche im gesamten Reich verbreitet waren: Agrippina wird auf dem Revers eindeutig benannt und dargestellt als thronende Frauengestalt mit Füllhorn und patera oder Ähre in der anderen Hand. Sie erscheint demnach wie Livia als Ceres. Agrippina erscheint auf dem Avers mit Reversmotiven, die auf lokale Kulte hinweisen. Dazu zählt der Adler als Verweis auf Zeus (Laodikeia/Phrygien, Abb. 11) oder die um einen Stab gewundene Schlange, die auf Asklepios (Hierapolis/Phrygien, Abb. 12) verweist. In Hypaepa/Lydien (Abb. 13) wird sie mit dem Kultbild der Artemis abgebildet. Prägungen aus Phrygien (Abb. 10, Nr. 5) zeigen sie zusammen mit der personifizierten Darstellung der Stadtgöttin und Eumeneia (Abb. 9) bildet sie mit Kybele ab.

Aufgrund der Datierungsschwierigkeiten der östlichen Münzen ist es nicht sicher zu erklären, wann diese Münzen geprägt wurden. Einziger Anhaltspunkt können hier nur die alexandrinischen Münzen sein (Abb. 14-16), die zudem noch den Sonderstatus haben, als kaiserlich autorisiert gelten zu können. Hierbei lässt sich erstaunlicherweise feststellen, dass es keine Prägungen für die ersten beiden Herrschaftsjahre des Nero gibt, also für die Zeit, in der die Reichsmünzen erschienen. Doch finden sich Münzen für das dritte bis fünfte Regierungsjahr (56/57-58/59 n.Chr.), d.h. während einer Zeit, für die die Quellen bescheinigen, dass ihr Einfluss bereits schwand [25]. Während RPC 5201 aus dem Jahr 56/57 n.Chr. noch sehr dem Portrait der Reichstypen ähnelt, scheint sich die Darstellung der Agrippina wie die des Nero zur späteren Münze gewandelt zu haben. Nero ist deutlich nicht mehr jugendlich dargestellt, sie erscheint mit runderen, weiblicheren Zügen, was zu der Annahme veranlassen könnte, es handle sich einfach um eine andere Frau. Die Umschrift ist nicht deutlich zu lesen, doch spricht in erster Linie dagegen, dass keine andere Frau in Frage kommt. Poppaea Sabina wird erst 62 die zweite Frau Neros, und Claudia Octavia wird auf alexandrinischen Münzen mit hochgesteckten Haaren abgebildet.

Der Befund aus der Provinzialprägung spiegelt im Gegensatz zur Reichsprägung nicht unbedingt das literarische Bild dieser Zeit wider, sondern zeigt vor allem, dass Agrippina bis zu ihrer Ermordung präsent und einflussreich gewesen sein muss, so dass es, trotzdem es im Reich keine Ehrungen mehr für sie gibt, zu Münzprägungen im Osten kommt. Angesichts der datierbaren alexandrinischen Münzen ist es auch nicht gegeben, dass die Prägungen der anderen Provinzen nur in die ersten zwei sehr dominanten Herrschaftsjahre fallen. Sie stehen in der Tradition der Ehrungen für Livia und Tiberius und scheinen, wie schon dort, von den internen Auseinandersetzungen nicht beeinflusst.

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3. Die Ehefrauen



Nero war dreimal verheiratet, doch keine der Ehefrauen erschien in der Reichsprägung. Dies ist umso auffälliger weil für alle Provinzialmünzen überliefert sind. Nero scheint in seinem – sicherlich anfangs nicht ganz selbstständigen – Münzprogramm die Herausstellung der Gattin auf Münzen vermieden zu haben. Er steht damit in der Tradition der iulisch-claudischen Kaiser mit Ausnahme des Claudius, der jedoch auch nur seine letzte Frau Agrippina auf Münzen ehrte. Das sicherlich bewusste Vermeiden einer Darstellung der Kaiserfrau lässt sich wohl auf die Erfahrung mit seiner Mutter Agrippina zurückführen. Ihre Münzen hatten gezeigt, wie sehr sich ihr tatsächlicher Einfluss gerade in den Münzen präsentierte und nach ihrem Ende war an eine derartige Ehrung – zumindest im Reich – nicht mehr zu denken gewesen. Die Agrippinamünzen unter Nero sind immer mit Blick auf die claudischen Prägungen zu sehen, die ein Novum darstellten. Nero distanzierte sich somit auch von Claudius, dem er einerseits seine Herrschaft verdankte, andererseits aber auch die starke Position seiner Mutter, derer er sich nur durch Mord entledigen konnte. Die Reichsprägung ist somit völlig bar jedes dynastischen Programms. Ansätze eines solchen lassen sich lediglich in Alexandria ausmachen.

Eine Münze Neros aus dem Zeitraum 64-66 n.Chr. [26] (Abb. 23) bildet zwar keine der Kaiserfrauen im Portrait und namentlich identifiziert ab, doch stellt das RIC die Vermutung auf, es handle sich um eine Darstellung des Nero mit seiner Gattin: Auf dem Avers ist Nero abgebildet, auf dem Revers ein stehendes Paar mit patera und Zepter bzw. Füllhorn sowie der Umschrift AVGVSTVS – AVGVSTA. Die Titel allein lassen noch keine eindeutige Interpretation zu, verführen aber sie als Nero und seine Gattin Poppaea Sabina zu interpretieren, die den Augusta-Titel seit 63 n.Chr. trug. Die Datierung der zweiten Prägeserie macht es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass Nero nach dem Tod und der Vergöttlichung seiner Gattin 65 n.Chr. noch Münzen mit ihr als Augusta prägen ließ. Die Motivwahl erinnert stark an die bereits besprochene Darstellung von Augustus und Livia auf einer Elefantenquadriga: die Figuren sind durch Zepter, Strahlenkrone und patera nicht nur dem kultischen Bereich zugeordnet, sondern vor allem dem göttlichen. Es sind Darstellungen von Göttern und die Umschrift verweist darauf, dass es sich um ein vergöttlichtes Kaiserpaar handelt. Mir scheint es, dass Nero sich hier erneut in die Tradition des Augustus stellte. Wenngleich die Münzprägung des Nero am Anfang stark hellenistische Motive aufweist, ist es nicht nachvollziehbar, warum er erst Jahre später damit weitermachen sollte, ohne jemanden eindeutig zu benennen und vor allem ohne irgendeine andere Darstellung von Kaiserfrauen auf Reichsmünzen [27].

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3.1. Claudia Octavia

Die Ehe mit der Tochter des Claudius war eine typische politische Verbindung, die die Ehe ihres Vaters mit Agrippina und Neros Position als präsumtiver Nachfolger verstärken sollte [28]. Cassius Dio berichtet, dass Nero die Freigelassene Acte lieber mochte als seine eigene Frau [29] und ihr Ende im Jahr 62 n.Chr. – nach der Beschuldigung unfruchtbar zu sein, Scheidung und Verbannung nach Pandateria und schließlich ihrer Ermordung [30] – veranlasste die antiken Geschichtsschreiber von einer regelrechten Abneigung und Hass des Nero auf sie zu sprechen [31]. Schon vorher hätte er sie gerne erwürgt [32]. Die breite, emotionale Schilderung der Scheidung bei Tacitus dient nicht nur der Negativzeichnung der Poppaea, die er als Schuldige am Schicksal der Octavia sieht. Er überliefert uns auch, dass die Tochter des Claudius anscheinend eine große Sympathie im Volk besaß [33], was sich in dessen Verhalten zeigte, als das Gerücht aufkam, Nero werde seine Frau aus Kampanien zurückrufen. Man zog zum Forum, in die Tempel und auf den Palatin, um dort die Statuen der Poppaea zu stürzen und Bilder der Octavia aufzustellen [34], Die Reaktion darauf, war ihre Ermordung und es erklärt wohl auch, warum es nach Kienast gesicherte Bildnisse der Octavia nur auf den Münzen der Provinzen gibt [35]. Nach ihrem Tod werden Bildnisse in Rom entfernt worden sein, um weitere Bekundungen des Volkes zu vermeiden.

Die östlichen Provinzen nahmen in ihrer Münzprägung Octavia durchaus als Gattin des Kaisers wahr und ehrten sie entsprechend. Münzen von ihr erschienen parallel zu den Agrippinamünzen. Auf Kreta erschien eine Münze, die sie mit Nero zusammen und einander zugewandt auf dem Avers zeigt, d.h. hier wird sie in hellenistischer Tradition als Mitherrscherin dargestellt. Die jugendliche Darstellung des Nero auf RPC 1005 und 1006 lassen auf eine Prägung zu Beginn seiner Regierung schließen. Auf allen Münzen wird Octavia mit geschlungenem Zopf im Nacken und Stephane dargestellt. Ihre Frisur wie das Portrait im Ganzen sind an das der Agrippina angeglichen [36]. In Perinthos/Thrakien (Abb. 20) und Sardeis/Lydien (Abb. 18f.) wurde sie auf dem Avers abgebildet. Auf dem Revers erscheint Demeter bzw. Hera, also Göttinnen mit Bezug zu Fruchtbarkeit und Ehe, wie sie als Motive typisch sind für die Ehefrauen der Kaiser. Die lydische Münze nennt sie Thea, was auf einen dortigen Kult für sie schließen lässt oder nur auf die Einbeziehung in den Kaiserkult, dem man dort nachging. Die Münzen lassen sich aufgrund der Nennung des Strategos um das Jahr 60 n.Chr. datieren, d.h. Octavia wurde solange ihre Ehe währte als Gattin des Kaisers wahrgenommen, den immer auch die Sphäre des Göttlichen umgab, welche auf sie ebenso übertragen wurde wie der Titel Sebastos/Augustus. So nennen sie die thrakischen Münzen Sebaste/Augusta, auch wenn sie den Augusta-Titel nie offiziell erhalten hatte.


    RIC 513
RPC 1005
 
RPC 5252


Die Motive der östlichen Münzen ähneln denen der Agrippina. Einzig die alexandrinischen Münzen (Abb. 21, 22) sind auffallend, da sie Octavia mit anderer Frisur darstellen: die Haare sind hochgesteckt. Es sind Münzen vom dritten bis ins sechste Jahr (56/57-59/60 n.Chr.) überliefert, die (wie parallel für Agrippina) Nero auf dem Avers und Octavia auf dem Revers darstellen. Hier deckt sich der numismatische mit dem literarischen Befund, wonach Nero nach dem Tod der Mutter an Scheidung dachte und vielleicht aus diesem Grund keine Münzen mehr in Alexandria für Octavia erschienen [37].

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3.2. Poppaea Sabina

Die zweite Ehefrau Neros ist literarisch ebenso schlecht beleumundet wie Agrippina – sie gilt als intrigant und mordlüstern [38]. Auch sie habe sich den Kaiser aufgrund ihrer ausgesprochenen Schönheit gefügig gemacht und solange Ränke gesponnen, bis alle Widersacher aus dem Weg geräumt waren und er sie kurz nach der Ermordung Octavias 62 n.Chr. heiratete [39]. Sie brachte einen Sohn mit in die Ehe und ließ auf einen eigenen Erben hoffen. Dennoch entstammte ihr Vater keiner senatorischen Familie [40] und ein derartiger Bezug ließ sich nur über den Großvater mütterlicherseits herstellen [41]. Sie war somit keine gute Wahl als Ehefrau – ohne Reputation und Legitimation [42] – und auch das Volk brachte ihr anscheinend wenig Sympathien entgegen; zumindest lassen die Tumulte im Zuge der Verbannung der Octavia darauf schließen. Gleichzeitig liefert Tacitus hier den Hinweis, dass es bereits Bildnisse der Poppaea gab, die man nun stürzte. Obgleich er vielleicht Ereignisse zusammenwirft und vordatiert, bleibt doch als Kern erhalten, dass die Beziehung zu Poppaea bereits recht offiziell war. Im Verlauf der Ehe gab es zahlreiche Ehrungen. Dazu zählen nicht nur Statuen, sondern auch der Augusta-Titel (nach der Geburt der Tochter 63 n. Chr.) und schließlich ihre Vergöttlichung nach ihrem Tod im Sommer 65 n. Chr. [43].

Gemäß ihrer Stellung als Ehefrau wurde sie ebenso auf den provinzialen Münzen geehrt. Sie erscheint zusammen mit Nero und dem Titel Sebaste/Augusta sowohl allein auf dem Revers als auch gemeinsam auf dem Avers. Die Prägungen stehen in der Tradition der Agrippina und Octavia, an deren Portrait auch ihre Darstellung angeglichen wurde – sie trägt den Zopf lang und als Schlinge geknotet im Nacken.


RPC 2629]


Gemeinsam auf dem Avers werden beide auf Prägungen aus Ephesos/Ionien (Abb. 24, 25) und Magnesia ad Sipylum/Lydien (Nr. 12) gezeigt. Die ephesischen Reverse zeigen traditionell ein Artemis-Attribut (hier der Hirsch), aber auch Tyche [44] mit der Mauerkrone. Sie wurden einander zugewandt dargestellt, aber auch gestaffelt, wie auf der lydischen Münze, die Roma auf dem Revers zeigt.
Häufiger erscheint Nero auf dem Avers und Poppaea auf dem Revers, u.a. in Thyateria (Abb. 27), Claudiconium (Nr. 4) und Koinon (Abb. 28). Dabei sind zwei Typen zu unterscheiden: einerseits wird sie als Portrait abgebildet, andererseits in Gestalt einer Gottheit. Eine Prägung aus Smyrna/Ionien (Abb. 26) zeigt Poppaea in Gestalt der Nike/Victoria und in Nicaea/Bithynien (Abb. 29) erscheint sie als sitzende Vesta, also in der Darstellung, wie sie für Livia typisch war und auch für Agrippina überliefert ist.


    RIC 513
RPC 2486
 
RPC 2060


In Perinthos/Thrakien erscheint eine Münze (Abb. 30), wie schon für Agrippina und auch Octavia, die sie auf dem Avers zeigt und auf dem Revers Attribute der Isis. Sie wird also in Tradition der provinzialen Darstellungen zusammen mit lokalen Kulten oder Frauengottheiten dargestellt (Abb. 29, 31, 32), wie z.B. Demeter oder Hera, was auf ihre Rolle als Gattin verweist.

Die auffälligste Prägung für Poppaea ist eine aus Caesarea Philippi/Syrien (Abb. 33) [45]. Der Avers zeigt die sitzende Poppaea in einem Tempel, der Revers ihre Tochter Claudia ebenfalls in einem Tempel. Beide werden in der Umschrift als DIVA bezeichnet. Die Münze ist nach dem Tod der Tochter – vier Monate nach ihrer Geburt im Januar 63 n. Chr. – zu datieren und die Nennung der Poppaea als Diva lässt vermuten, dass sie erst nach deren Tod im Sommer 65 n. Chr. geprägt wurde. Poppaea ist unter den Gattinnen Neros die wohl am meisten herausgestellte, was damit zusammenhängen mag, dass sie ihrer ehelichen Pflicht nachkam und Nero ein Kind gebar. Tacitus beschreibt das Szenario nach der Geburt: Gelübde wurden eingelöst, Dankesprozessionen veranstaltet, ein Tempel der Fruchtbarkeit und Spiele beschlossen [46]. Alle Hoffnungen lagen auf dieser Schwangerschaft und der Geburt, was sich in der völlig unüblichen Verleihung des Augusta-Titels an das Neugeborene manifestiert.

Der frühe Tod muss ein herber Schlag für Nero gewesen sein [47] und trotz der überbordenden Ehrungen kam es zu keiner anderen Darstellung auf Münzen, außer dieser einen. Die Frage der Datierung bleibt schwierig, da im Osten die Divinisierung lebender Personen nicht unüblich war, doch scheint die spätere Variante angesichts des dortigen kaiserlichen Kultes wahrscheinlicher. Die taciteische Beschreibung ihres Todes ist widersprüchlich. Sie wurde nach hellenistischer Sitte einbalsamiert und in einem öffentlichen Begräbnis beigesetzt. In der Leichenrede pries Nero ihre Schönheit und die Mutterschaft eines göttlichen Kindes. Andererseits überliefert Tacitus, Nero hätte sie schwanger in einem Wutanfall die Treppe hinunter getreten und sei absichtlich dem Beschluss der Vergöttlichung ferngeblieben wie auch dem Leichenbegräbnis. Die Münze belegt eindeutig die Vergöttlichung beider und sie zeigt auch an, dass er diese Frau wohl kaum mit einer öffentlichen Bestattung geehrt hätte, nur um dieser fernzubleiben. Auch das Gerücht oder der Bericht ihrer erneuten Schwangerschaft scheint mir gerade unangebracht, um davon auszugehen, er habe sie umgebracht, denn er war immer noch ohne Nachfolger [48]. Allerdings fällt auf, dass Poppaea im Osten ansonsten nicht auf Münzen als Thea bezeichnet wird, was sich für Agrippina wie Octavia belegen lässt [49].


    RIC 513
RPC 4868
 
RPC 5282


In Alexandria wurde sie auf einer ganzen Reihe von Münzen der Jahre 9-11 (62-65 n. Chr.) geehrt (Abb. 34-36). Bei allen erscheint Nero auf dem Avers mit Strahlenkrone und Poppaea auf dem Revers. Die neue Darstellung des Nero mag zusätzlich auf die besondere Position der Poppaea verweisen.

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3.3. Statilia Messalina

Lediglich ein halbes Jahr später heiratete Nero in der ersten Hälfte 66 n. Chr. seine dritte Frau – Statilia Messalina. Sie war die Tochter eines Konsuls (T. Stailius Taurus, cos. 44 n. Chr.) und damit eine durchaus würdige Kandidatin. Ihr Ehemann wurde zum Selbstmord gezwungen, nachdem man ihn der Mitwisserschaft an der Pisonischen Verschwörung bezichtigt hatte, und damit der Weg für eine Ehe freigemacht [50]. Die Intention einer dritten Ehe war klar die Notwendigkeit eines Erbens, was die Verschwörung vielleicht noch deutlicher gemacht hatte [51]. Im Gegensatz zu den anderen Frauen im Leben des Nero wirkt Messalina unauffällig und es scheint fast so, als sei sie nicht großartig öffentlich geehrt worden und habe sich auch nicht den Zorn anderer zugezogen [52]. Dennoch wurde sie in den Provinzen auf Münzen abgebildet, wenngleich wohl seltener, was aber auf die geringe Prägezeit zurückzuführen ist.

Sie ist die einzige Frau, die Nero nicht in Alexandria auf Münzen prägen ließ. Vielleicht fehlte einfach die Zeit, denn die Prägungen für Agrippina und Octavia hatten ebenfalls später eingesetzt. Es bleiben ihr nur zwei Jahre und möglicherweise ist ein sehr kleiner Bestand einfach nur nicht überliefert. Sie erhielt nach der Hochzeit den Augusta-Titel, d.h. eine offizielle Ehrung, die gewöhnlich in den Provinzialprägungen ihren Niederschlag fand.

Sie erscheint auf Münzen aus Ephesos (Abb. 37f.) und einer Prägung aus Hypaepa/Lydien (Abb. 39). Sie trägt dieselbe Frisur wie Agrippina und die anderen Ehefrauen und insbesondere die lydische Prägung erinnert an vorangegangene Motive: der Avers zeigt sie und Nero einander zugewandt; der Revers zeigt die Artemis-Kultstatue. In Ephesos erscheint sie auf dem Revers, Nero auf dem Avers. Eine weitere ephesische Prägung zeigt sie allein mit der Artemis-Kultstatue.


RPC 2543


Messalina erfüllte ihre Aufgabe nicht und außer der Tatsache, dass sie angeblich schon seit Jahren ein Verhältnis zu Nero unterhielt, haben weder die literarischen Quellen noch die Münzen viel zu ihr zu sagen. Als offizielle Ehefrau erhielt sie die offiziellen Ehrungen und wurde auf Münzen gewürdigt.

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4. Zusammenfassung



Die Untersuchung der Münzen für Kaiserfrauen während der Herrschaft des Nero ergab sowohl traditionelle wie völlig neue Elemente. In der Distanzierung von Claudius stellte er sich gerade zu Beginn stark in die Tradition der frühen Principes Augustus und Tiberius. Die Münzen des Reiches wie der Provinzen zeigen bekannte Motive und insbesondere die provinzialen Münzen greifen stark auf den Kanon der Tiberius-Livia-Münzen zurück.

Agrippina ist nicht nur die schillerndste Frau unter ihnen, weil sie als einzige auf römischen Gold- und Silberprägungen auftaucht, sondern dies in einmaligen Darstellungen. Die Münzen sind nicht nur Beleg für ihren faktischen Anteil an der Herrschaft zum Regierungswechsel, sondern stellen einen Versuch dar, das hellenistische Prägeprogramm ins Reich einzuführen, anstatt weiterhin nur in Alexandria damit zu experimentieren. Dies scheitert und vielleicht fehlt lediglich der literarische Beleg über die sicherlich vorstellbare Entrüstung in Rom über diese Themenwahl. Danach gibt es keine Münzen mehr für Frauen; und die Reichsprägung ist somit völlig bar jedes dynastischen Programms. Ein solches findet sich aber anschließend in Alexandria, dem halboffiziellen „Spielplatz“ mit hellenistischer Herrschaftsrepräsentation, wo bis zum Ende der Poppaea durchweg die Kaiserfrauen auf dem Münzavers erscheinen. Die östliche Wahrnehmung unterscheidet jedoch anscheinend zwischen Frauen aus dem Kaiserhaus und solchen, die durch ihre Ehe mit Nero zu Kaiserfrauen werden. Bei den iulisch-claudischen Kaiserfrauen zeigt sich eine starke Prägetradition, die von den vorherigen Principes übernommen wird und sie u.a. in bereits etablierte Kulte einbinden. Anscheinend gilt dies für die „angeheirateten“ Kaiserfrauen nur bedingt, womit sich erklären ließe, warum die offizielle Divinisierung der Poppaea keinen wirklichen Niederschlag im Osten findet und es auch keine Prägungen für Messalina gibt, die sie als thea bezeichnen.

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5. Literatur- und Quellenverzeichnis



• Born, H. (Hrsg.), Damnatio memoriae. Das Berliner Nero-Porträt, Mainz 1992.
• Ginsburg, J., Repressing Agrippina. Constructions of Female Power in the Early Roman Empire, Oxford/New York 2006.
• Griffin, M.T., Nero. The End of a Dynasty, London 1984.
• Holztrattner, F., Poppaea Neronis potens. Studien zu Poppaea Sabina, Horn/Wien 1995 (Grazer Beiträge. Supplementband 6).
• Kienast, D., Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 1990.
• Kleiner, D.E.E. – Matheson, S.B. (Hrsg.), I, Claudia II. Women in Roman Art and Society, New Haven 2000.
• Malitz, J., Nero, München 1999.
• Meise, E., Untersuchungen zur Geschichte der Julisch-Claudischen Dynastie, München 1969 (Vestigia 10).
• O’Gorman, E., Irony and Misreading in the Annals of Tacitus, Cambridge 2000.
• Shotter, D., Nero, London / New York 1997.
• Sydenham, E.A., The Coinage of Caesarea in Cappadocia, New York 1978.
• Wood, S., Imperial Women. A Study in Public Images, 40B.C.-A.D.68, Leiden 1999 (Mnemosyne Suppl. 194).


Quellen

• Cassius Dio, Roman History, 9 Bde., Bd. 8, hrsg. v. H.B. Foster, übers. v. E. Cary, Cambridge 1995.
• C. Suetonius Tranquillus, Die Kaiserviten. De Vita Caesarum / Berühmte Männer. De Viris Illustribus, lat.-dt. hrsg. u. übers. v. Hans Martinet, Zürich 1997.
• P. Cornelii Taciti libri qui supersunt, Stuttgart 1983.
• P. Cornelius Tacitus, Annalen I-VI, übers. v. W. Soltheimer, Stuttgart, 1964.
• P. Cornelius Tacitus, Annalen XI-XVI, übers. v. Walter Sontheimer, Stuttgart 1967.


Fußnoten

[1] Den Beinamen Nero erhält er erst im Zuge der Adoption durch Claudius. Seine vollständige Titulatur lautet danach Nero Claudius Caesar Drusus Germanicus.

[2] Seit der Begründung des Principats waren Caius und Lucius Caesar, Agrippa Postumus, Germanicus, der jüngere Drusus, Tiberius Gemellus sowie Nero und Drusus Caesar, die Söhne des Germanicus, früh verstorben bzw. ermordet worden.

[3] Malitz, J., Nero, München 1999 [im Folgenden ‚Malitz’], S. 8f. Zu den Gerüchten einer Nachfolge des Augustus vgl. seine mögliche Ausrufung durch das Heer in Germanien (Tac. ann. 1,7).

[4] Zum Zeitpunkt ihrer vierten Ehe mit ihrem Onkel Claudius waren sie und ihr Sohn die letzten Mitglieder der direkten Linie zu Augustus und der Familie des Germanicus. Die Verbindung mit ihr, für die erst die notwendige Gesetzesänderung herbeigeführt werden musste, wird beiderseits eine wohlüberlegte dynastische Entscheidung gewesen sein. Vgl. Shotter, D., Nero, London/New York [im Folgenden ‚Shotter’], S. 8.

[5] Kleiner, D.E.E. – Matheson, S.B., Her Parents Gave Her the Name Claudia, in: Dies. (Hrsg.), I, Claudia II. Women in Roman Art and Society, New Haven 2000 [im Folgenden ‚Kleiner-Matheson’], S.7f.

[6] Vgl. zur Darstellung der Agrippina u.a. Tac. ann. 12,3. 22. 42. 57. 64. 66f.; 13,1. 21; 14,2. 10f.; Suet. Claud. 26,3; 44,2; 28,2. Zum taciteischen Bild der Agrippina vgl. O’Gorman, E., Irony and Misreading in the Annals of Tacitus, Cambridge, 2000; Ginsburg, J., Repressing Agrippina. Constructions of Female Power in the Early Roman Empire, Oxford/New York 2006 [im Folgenden ‚Ginsburg’], die als typische Attribute für Frauen, die männliche Rollen annehmen, u.a. ferox, atrox nennt.

[7] Tac. ann. 12,26. 41: Nero war drei Jahre älter als der leibliche Sohn des Claudius, Britannicus, und führte somit die Erbfolge an. Die Ehrung der Agrippina durch den Augusta-Titel sowie die an Nero vorzeitig verliehene toga virilis, die Aufnahme in Priesterkollegien sowie der Titel des princeps iuventutis erinnern sehr stark an die Repräsentation von Caius und Lucius Caesar durch Augustus, sowie des Germanicus und des Drusus. Vgl. auch die Gold- und Silbermünzen mit Agrippina auf dem Avers und dem jungen Nero auf dem Revers, die noch unter Claudius geprägt wurden (RIC Claud. 75, 82). Vgl. Shotter, S. 9; Malitz, 12, 15; Griffin, M.T., Nero. The End of a Dynasty, London 1984 [im Folgenden ‚Griffin’], S. 29f.; Meise, E., Untersuchungen zur Geschichte der Julisch-Claudischen Dynastie, München 1969 (Vestigia 10) [im Folgenden ‚Meise’], S. 179.

[8] Vgl. Meise, S. 187.

[9] Suet. Nero 9.

[10] Tac. ann. 13,2,2; Ginsburg, S. 38

[11] Nach Suet. Nero 9 übergab er alle öffentliche und privaten Angelegenheiten an die Mutter; vgl. Griffin, S. 38. Ginsburg, S. 57 führt an, dass ihre Prominenz und Herausgehobenheit auf den Münzen in zweierlei Hinsicht gedeutet werden kann: als tatsächlicher Einfluss auf ihre Darstellung oder als Folge davon, dass ihre herrschende Position eine solche Darstellung verlangte.

[12] Die Nummerierung der Münzabbildungen folgt dem Münzdossier. Die im Text befindlichen Münzen werden nach ihrer RIC bzw. RPC-Zählweise beziffert.

[13] Kleiner, D.E.E., Family Ties. Mothers and Sons in Elite and Non-Elite Roman Art; in: Kleiner-Matheson, S. 50.

[14] Die Forschung identifiziert das Paar fast einheitlich mit Divus Augustus und Divus Claudius, d.h. die Prägung erinnert nicht nur an die Vergöttlichung des Claudius im Oktober 54 n.Chr., sondern auch daran, dass Agrippina nun Priesterin des vergöttlichten Claudius war. Vgl. u.a. Ginsburg, S. 73. Diese Erklärung ist durchaus schlüssig, wenn man davon ausgeht, dass zwei männliche vergöttlichte Mitglieder der domus Augusta dargestellt werden, was meines Erachtens nicht sicher ist.

[15] RIC Tib. 56 aus dem Jahr 34/35 und RIC Tib. 62 aus dem Jahr 35/36.

[16] Der Elefant erscheint schon auf augusteischen Denaren (RIC Aug. 280-284, 311). Der Revers zeigt eine Elefantenbiga mit dem darauf sitzenden Augustus mit Zepter. Hier wird der lebende Kaiser in einen kultischen Kontext gestellt, der ohne Zweifel mit einer göttlichen Konnotation spielt. Bei den Konsekrationsmünzen späterer Kaiser taucht das Motiv der Elefantenbiga oder -quadriga ebenfalls auf; vgl. RIC Titus 143 (Vespasian), RIC Dom. 219 (Iulia Titi), RIC Traian 750 (Marciana), RIC Pius 1139 (Faustina maior).

[17] Diese Münze bestärkt auch die wahrscheinlich repräsentierte öffentliche Wahrnehmung des jungen Princeps und seine Ähnlichkeit zum jungen Octavian. Diese gesuchten und herausgestellten Parallelen finden sich hier deutlich im Münzbild.

[18] Ginsburg, S. 73; Wood, S., Imperial Women. A Study in Public Images, 40b.c.-a.d.68, Leiden 1999 (Mnemosyne Suppl. 194), S. 293f.

[19] Tac. ann. 13,12-14; Cass. Dio 61,7,1-3. Die Beziehung zu Acte öffnete den Beratern neue Wege ihn zu beeinflussen und Agrippina zu verdrängen, die letztlich als Frau formal keine Herrschaft ausüben konnte, sondern auf bestimmte Verbindungspersonen angewiesen war, was in der Übergangsphase wohl zuallererst Burrus und Seneca gewesen waren, die ihre Position der Mutter verdanken. Vgl. Malitz, S. 14, 18; Ginsburg, S. 40-45.

[20] Tac. ann. 13,20.

[21] Tac. ann. 13,14f. 18. Vgl. Malitz, 20; Griffin, 74.

[22] Tac. ann. 13,19, 1-2. Auch wenn Tacitus an dieser Stelle nicht direkt von der salutatio spricht, scheint mir das Bild des Alleingelassenwerdens in ihren Räumen dafür zu sprechen. Im Kapitel vorher erwähnt er zudem, dass sie Tribunen und Centurionen empfangen habe (Tac. ann. 13,18,2).

[23] Unter Claudius steht v.a. der Aspekt im Vordergrund, die Nachfolge gesichert zu haben, also Agrippina als Mutter, dargestellt mit Fruchtbarkeitsattributen (Füllhorn, corona spicea der Demeter etc.). Unter Nero scheint eher ihre Funktion als legitimierendes Bindeglied zwischen dem Kaiser und Divus Claudius wahrgenommen worden sein (vgl. RPC 4175 aus dem Koinon Kreta – Nero auf dem Avers und Agrippina mit Claudius auf dem Revers).

[24] Ginsburg, S. 77: Münzen werden laut RPC (S. 555) in die Jahre 58-60 datiert und die Münzstätte ist eine kaiserliche. [Leider keine Schlussfolgerung zur späten Prägezeit] Sydenham, E.A., The Coinage of Caesarea in Cappadocia, New York 1978, S.38 datiert Münzen von Nero und Agrippina in die Zeit 54-56 n.Chr. [keine Erklärung, folgt wohl der literarischen Tradition].

[25] Tacitus erwähnt Agrippina in seinem Bericht dieser Jahre nicht, sondern berichtet erst wieder von ihrer Ermordung.

[26] Seine Leibesfülle schließt ein frühes Prägedatum aus. Nach RIC wird dieser Münztyp in zwei Serien datiert: 64/65 und 65/66 n.Chr. Sie ist nach Hiesinger und ihm folgend Born dem 4. Bildnistyp Neros zuzuordnen, der sich auf Münzen seit 64 n. Chr. findet; vgl. Born, H. (Hrsg.), Damnatio memoriae. Das Berliner Nero-Porträt, Mainz 1992, S. 92.

[27] Vermeule erwähnt eine Reichsmünze (Dupondius) für Poppaea, die Ende 1996 in einem Auktionskatalog erschien. Da mir keine Abbildung dieser Münze vorlag, wurde sie nicht in die Arbeit aufgenommen. Vgl. Vermeule, C.C., Livia to Helena. Women in Power, Women in Provinces, in: Kleiner–Matheson, S. 21, Anm. 11.

[28] Tac. ann. 12,58,1. Anscheinend hatte Claudius gezögert, denn nach Tacitus kam die Hochzeit nur durch Intervention der Agrippina zustande, wonach Claudius durch einen Senatsbeschluss gedrängt wurde (Tac. ann. 12,9). Zuvor musste die bereits seit 41 n.Chr. bestehende Verlobung der Octavia mit L. Iunius Silanus gelöst werden, indem man diesen des Inzests beschuldigte und aus dem Senatorenstand entfernte (Tac. ann. 12,4). Vgl. Meise, S. 172f.

[29] Cass. Dio 61,3,1.

[30] Zuerst erfolgte die Scheidung und Verbannung nach Kampanien aufgrund einer angeblichen Affäre mit dem Sklaven Eucaerus (Tac. ann. 14,60), dann der Vorwurf sich durch eine Affäre mit dem Flottenpräfekten Anicetus (pikanterweise der Mörder der Agrippina) der Flotte zu bemächtigen (Tac. ann. 14,63,1). Daraufhin wurde sie nach Pandateria verbannt und umgebracht (Tac. ann. 14,63,2). Dem Befehl zum Suizid kam sie nicht nach und wurde daraufhin getötet (Tac. ann. 14,64,1-2). Vgl. Suet. Nero 35,2.

[31] Octavia wurde als Gattin nicht besonders hervorgehoben und trug nicht den Augusta-Titel; vgl. Meise, S. 175f.

[32] Suet. Nero 35,1-2; Tac. ann. 13,13.

[33] Dies scheint allgemein für die Kinder des Claudius zu gelten, was sich in den Bekundungen für Britannicus einzelner Prätorianer (Tac. ann. 12,69) zeigt sowie der Anteilnahme an dessen Schicksal (Tac. ann. 13,15-16). Meise, S. 184, 203f.

[34] Tac. ann. 14,61. Auch Suet. 35,2 berichtet von Vorwürfen aus dem Volk. Vgl. Meise, S. 204f., der in den Unruhen nicht nur Sympathiebekundungen für Octavia sieht, sondern durchaus Anzeichen für eine politische, auf Umsturz gerichtete Intention der Ereignisse.

[35] Kienast, D., Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 1990 [im Folgenden ‚Kienast’], S. 99.

[36] Dies mag an einer fehlenden Vorlage liegen, doch spricht dagegen die literarische Erwähnung von Bildnissen, die das Volk aufstellte (Tac. ann. 14,61,1). Die Darstellung ähnelt einer ebenfalls dort geprägten claudischen Münze für Antonia, die auf dem Revers mit identischer Frisur ihrem Mann Nero Claudius Drusus zugewandt dargestellt ist (RPC 1031), wie auch dem Portrait der Messalinamünzen (RPC 1001). Es ist wohl anzunehmen, dass man einen vorliegenden Typus nahm, nur leicht veränderte und mit neuer Umschrift prägte.

[37] Tac. ann. 14,1,1. Griffin, S. 98 sieht im Interesse Neros an einer Scheidung den Versuch, sich erneut von Claudius, der insbesondere den Senatsmitgliedern schlecht in Erinnerung geblieben war, zu distanzieren. Während zu Beginn seiner Herrschaft die pietas gegen den Adoptivvater noch notwendig war, da sich seine Herrschaft auch über die claudische Linie legitimierte, wandte er sich nun davon ab. Meise, S. 197, 200 erklärt die späte Trennung von Octavia damit, dass erst alle politischen Widersacher beseitigt werden mussten, bevor sich Nero von der seine Herrschaft legitimierenden Ehe trennte, obwohl er sich bereits vorher von Claudius distanzierte indem seit 55 keine Prägungen mehr erschienen, die ihn Divus Filius nennen.

[38] Zum literarischen Bild u.a. Tac. ann. 13,45,2-4; 14,1,1. 60,2. 62,1; 16,7,1; Cass. Dio 61,12,1; O’Gorman, S. 139. Holztrattner, S, 8, 125f.

[39] Suet. Nero 35,3; Griffin, S. 100-102. Tacitus wie Dio schreiben ihr zu, Nero dazu veranlasst zu haben, Octavia zu ermorden, doch scheinen hier die politischen Motive dieser Entscheidung, die Nero bewusst gewesen sein mussten, einfach nur in ihren Mund gelegt worden zu sein. Meise, S. 212.

[40] Holztrattner, S. 5 berechnet das Alter ihres Vaters T. Ollius auf etwas über 25 Jahre alt, d.h. er hatte lediglich die Quästur erreicht, bevor er im Zuge des Sturzes des Sejan starb. Ihre Mutter Poppaea Sabina starb 47 im Zuge der Anklage gegen Valerius Asiaticus. Ihr Großvater war 9 n.Chr. cos. ord. und danach Statthalter in Moesia. Ihr Großonkel W. Poppaeus Secundus war 9 cos. suff. und Amtsnachfolger seines Bruders.

[41] Tac. ann. 13,45,1; Malitz, S. 35; Griffin, 98f. Der Stiefsohn Rufrius Crispinus stellte natürlich auch eine Gefahr dar und so ließ ihn Nero noch als Kind ertränken (Suet. Nero 35,5).

[42] Ihre Position kann aus diesem Grund niemals die der Agrippina gewesen sein, da ihr die nötige Klientel und Beziehungen fehlten. Vgl. Griffin, S. 103.

[43] Kienast, S. 99; zur Geburt der Tochter Claudia und Verleihung des Augusta-Titels an Mutter und Tochter vgl. Tac. ann. 15,23,1; Griffin, S. 103. Zum Tod der Poppaea vgl. Tac. ann. 16,6-7; zur Vergöttlichung vgl. Tac. ann. 16,21,2.

[44] Tyche war nicht nur die Personifikation des Schicksals, sondern galt auch als Beschützerin der Stadt (pherépolis), weshalb die Mauerkrone als ihr Attribut gilt. Die ungewöhnliche Darstellung auf einer Prägung aus Ephesos impliziert, dass Poppaea möglicherweise wie eine Stadtpatronin geehrt wurde.

[45] Der Prägeort verwundert nicht weiter, da er (ursp. Paneas) von Augustus 20 v. Chr. Herodes geschenkt wurde, der einen Tempel des Augustus und der Roma dort errichten ließ. Herodes Agrippa II. benannte die Stadt zu Ehren des Nero sogar in Caesarea Neronis um. Der Bezug zur Kaiserfamilie und Kaiserkult war dort besonders eng, weshalb die Münze vielleicht auch mit einer lateinischen Umschrift geprägt wurde.

[46] Tac. ann. 15,23.

[47] Griffin, S. 165.

[48] Griffin, S. 169; Holztrattner, S. 130, wonach die Darstellung ein Tyrannentopos sei.

[49] Dies ist ungewöhnlich angesichts der großen Ehrungen, die ihr im Reich zukommen, insbesondere die Divinisierung nach ihrem Tod. Anscheinend nahm der Osten den Unterschied ihrer Herkunft im Vergleich zu den Frauen der domus Augusta (Agrippina und Octavia) wahr und deren thea-Prägungen sind letztlich Loyalitätsbezeugungen dieser gegenüber.

[50] Tac. ann. 15,68,2-69,3; Suet. Nero 35,1.

[51] Griffin, S. 194. Nero versuchte zuerst Antonia, die Tochter des Claudius und der Aelia Paetina, zu ehelichen, die aber seinen Antrag zurückwies und woraufhin er sie umbringen ließ (Suet. Nero 35,4).

[52] Die literarischen Quellen berichten lediglich von der Ehe und dem Schicksal ihres Mannes Atticus Vestinus und liefern weder ein gutes noch wirklich schlechtes Bild von ihr. Sie überlebte Nero (Suet. Otho 10,2), d.h. die damnatio des Kaisers scheint nicht derart auf sie übergegangen zu sein (vgl. die Ermordung der Kinder des Seianus). Dennoch wird ihr Name auf Inschriften des Ostens eradiert. Er dürfte immer den Bezug zu Nero deutlich gemacht haben. Vgl. Kienast, S. 100.

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