Münzprägungen für Kaiserfrauen unter Caligula


verfasst von Arne Skerra




1. Einführung

a. Zum heutigen Caligula-Bild

b. Hinweis zu den Einzelbeiträgen

2. Reichsprägungen für Agrippina maior

a. Die Edelmetalltypen der Reichsprägung

b. Der Carpentum-Sesterz

c. Resümee zur Rolle der Agrippina-Abbildungen in der Reichsprägung

3. Provinzialprägungen für Agrippina maior

4. Münzabbildungen der Schwestern Caligulas in der Reichs- und Provinzialprägung

5. Das (Nicht-)Erscheinen der Ehefrauen Caligulas auf Münzen

6. Münzen für Antonia minor

 

 

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1. Einführung


Caligula war ein junger Herrscher. Als er im März 37 zum Kaiser ernannt wurde, war er 24 Jahre alt. Nur vier Jahre später teilte er das Schicksal seines gleichnamigen großen Vorfahren: Er wurde das Opfer einer Verschwörung. Den Spitznamen ‚Caligula‘ (Soldatenstiefelchen) erhielt er in seiner Kindheit, die er zum großen Teil in den Feldlagern seines Vaters, des berühmten und populären Feldherrn Germanicus, verbrachte. Germanicus hatte seinerzeit die Gunst des Kaisers Augustus genossen und wurde von ihm als Nachfolger im Prinzipat in Betracht gezogen. Doch Augustus gab dem Wunsch seiner Gattin Livia nach und bestimmte ihren Sohn Tiberius (Germanicus´ Onkel) zum Nachfolger. Dieser musste allerdings auf Geheiß des Augustus seinen Neffen adoptieren und ihn neben seinem eigenen Sohn zum Erben erklären.
Im Jahr 19 starb Germanicus vorzeitig unter ungeklärten Umständen. Dass Tiberius etwas mit dem Tod des Germanicus zu tun hatte, konnte nie bewiesen werden. Doch Germanicus´ selbstbewusste Witwe Agrippina (maior = die Ältere), die seine Asche nach Rom heimführte, machte keinen Hehl daraus, dass sie dies glaubte. Die steten Spannungen zwischen ihr und dem Kaiser führten schließlich dazu, dass Agrippina und ihr ältester Sohn Nero Caesar im Jahr 29 von Tiberius in die Verbannung geschickt wurden. Der zweitälteste Sohn Drusus Caesar wurde im Jahr darauf der Verschwörung beschuldigt und inhaftiert. Alle drei fanden bald den Tod. Trotz der scheinbar großen Gefahr für ihn verbrachte Caligula die nächsten Jahre bei Tiberius auf Capri. Nicht nur sein Überleben ist ein Hinweis darauf, dass sich der einzig übrige Sohn von Germanicus und Agrippina auf das Taktieren besser verstand als seine toten Angehörigen. Caligula fand zudem einflussreiche Verbündete, die ihn nach Tiberius´ Tod und nicht dessen blutsverwandten Enkel Tiberius Gemellus zum Kaiser machten.


Caligula (Ny Carlsberg Glyptothek Kopenhagen)


Caligula war bei der römischen Bevölkerung beliebt. Nicht zuletzt trugen dazu die großen Namen seiner Vorfahren bei: Caligulas Mutter Agrippina war eine Tochter des Marcus Agrippa aus dessen Ehe mit Julia, der einzigen leiblichen Tochter des Augustus. Sein Vater Germanicus wiederum war ein Sohn von Antonia, der jüngsten Tochter des Triumvirn Marcus Antonius. Antonia genoss in Rom ähnlich hohes Ansehen wie Livia. Caligula ließ ihr zu Beginn seiner Herrschaft per Senatsbeschluss besondere Ehrenrechte (u. a. das der Ehrenvestalin) verleihen. Den ebenfalls angebotenen Augusta-Titel lehnte die alte Dame jedoch ab. Als Caligula im Herbst 37 schwer krank wurde, kam sie zu ihrem Enkel, um ihn in dieser kritischen Situation zu unterstützen. Sie starb in diesen Tagen und die antiken Historiographen spekulierten, dass dies Caligulas Verschulden war.
Auch den Rest seiner Familie versah Caligula mit ungewöhnlichen Ehrungen. Zunächst überführte er die sterblichen Überreste seiner Mutter Agrippina und seines Bruders Nero Caesar von den Verbannungsinseln heim nach Rom und bestattete sie im Augustus-Mausoleum. Anschließend wurden Zirkusspiele veranstaltet, für die Agrippina postum das sogenannte Carpentum-Recht verliehen bekam. Das heißt, dass ihr Bildnis mit einem Prunkwagen (Carpentum) vom Capitol zum Zirkus gefahren wurde. Dieses Recht hatte zuvor nur Livia erhalten. Seinen Vater ehrte Caligula, indem er den Monat September in Germanicus umbenennen ließ. Diese besondere Ehrung war zuvor bekanntlich Iulius Caesar (Juli) und Kaiser Augustus (August) zuteil geworden.

Zu seinen noch lebenden Schwestern Drusilla, Iulia Livilla und Agrippina (minor = die Jüngere) hatte Caligula eine besondere Beziehung. Auch sie ließ er zu Ehrenvestalinnen ernennen und in die amtlichen Eidesformeln einbeziehen. Als seine Lieblingsschwester Drusilla im Jahr 38 unerwartet starb, ließ Caligula sie als erste Frau vergöttlichen (konsekrieren). Der Verlust Drusillas war für Caligula ein schwerer, denn sie sollte im Falle seines Todes Erbin seiner Herrschaft sein. Genauer gesagt, sollte ihr Mann, ein Vertrauter Caligulas, Interimsherrscher sein, bis Drusillas künftiger Sohn das Erbe rechtmäßig antreten würde. Dies war zumindest Caligulas Plan zur Sicherung seiner Nachfolge, denn seine bisherigen zwei Ehen waren kinderlos geblieben. Nun, da Drusilla aber ohne Nachkommen gestorben war, sah er sich wieder selbst in der Pflicht, Erben zu zeugen. Er heiratete erneut, doch merkte bald, dass auch diese Ehe unfruchtbar bleiben würde. So war es bereits Anfang 39 seine Geliebte Caesonia (bereits Mutter mehrerer Kinder), die von ihm schwanger wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass Caligula die beiden noch lebenden Schwestern bezüglich seiner Nachfolgepolitik überging (Agrippina hatte bereits einen Sohn, den späteren Kaiser Nero!). Noch im selben Jahr deckte er eine Verschwörung seiner Schwestern gegen ihn auf und verbannte sie.

Die Verschwörung seiner Schwestern im Jahr 39 ist ein deutliches Zeichen dafür, in welcher Isolation sich Caligula zu diesem Zeitpunkt bereits befand. Schon früh war er der Doppelbödigkeit, die die Rolle des Prinzeps mit sich brachte, überdrüssig gewesen und führte der Aristokratie im Senat bald vor, dass er eben nicht mehr der „Erste unter Gleichen“ war. Er nutzte jede Gelegenheit zu zeigen, dass die Aristokratie seiner Willkür ausgeliefert war. Damit wählte er den Konfrontationskurs, den Tiberius durch seinen Rückzug nach Capri vermieden hatte. Tatsächlich waren die Machtverhältnisse so, dass die Aristokraten jede Demütigung wehrlos hinnehmen mussten. Doch fanden sich immer wieder Senatoren zu Verschwörungen zusammen und die Zahl der Vertrauten Caligulas nahm stetig ab. Man könnte sogar sagen, dass es einige Zeit vor allem die skrupellose Denunziation der Senatoren untereinander war, die Caligula noch den größten Schutz bot.
Im Januar 41 wurden Caligula, seine Frau Caesonia und seine nach der Lieblingsschwester benannte Tochter Drusilla ermordet. Doch mit dem Mord begann erst die Rache der Aristokratie für die erlittenen Demütigungen. Wie es zu Lebzeiten Caligulas sicher schon im Stillen der Fall war, wurden nun die übelsten Gerüchte und Nachreden, die man sich nur ausdenken konnte, über den Verstorbenen ausgebreitet und von den (aristokratischen) Literaten und Historiographen der Zeit festgehalten.

a. Zum heutigen Caligula-Bild

Für die heutige Geschichtsschreibung ist es sehr schwer, in den antiken Überlieferungen die Fakten von den Legenden zu trennen bzw. die tendenziöse Perspektive zu bereinigen. Es müssen mühselig Widersprüche oder zufällige Nebenbemerkungen (auch in anderen Darstellungen) gesucht und ausgewertet werden. Dass es unmöglich ist, eine „wahre“ Geschichte Caligulas zu schreiben, die der antiken Überlieferung entgegensteht, zeigt sich in der Tatsache, dass es bis heute renommierte Altertumshistoriker gibt, die sich strikt an die zeitgenössischen Berichte halten und Caligula Irrationalität oder Wahnsinn attestieren. Doch andererseits ist die Widersprüchlichkeit der antiken Überlieferung unbestritten. Sie bietet ein ausreichend solides Fundament für die „revisionistische“ oder alternative Sichtweise, die sich seit Beginn des 20 Jhs. etabliert hat und zuletzt von Anthony Barrett (1989) oder Aloys Winterling (2003) überzeugend vertreten wurde. Wie oben bereits deutlich wurde, schließt sich auch dieser kleine Beitrag der alternativen Sichtweise an.

b. Hinweis zu den Einzelbeiträgen

Die von dieser Internetseite aus über Links zugänglichen Einzelbeiträge zur Münzabbildung der weiblichen Familienmitglieder Caligulas sind gekürzte Ausschnitte einer Hauptseminar-Arbeit, die ebenfalls über ein Link in Form einer PDF-Datei zugänglich ist. Die mitunter komplizierte fachliche Untermauerung der inhaltlichen Thesen, auf die in den Webseiten-Texten der einfacheren Lesbarkeit wegen verzichtet wurde, ist dort vollständig einsehbar.

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2. Reichsprägungen für Agrippina maior



a. Die Edelmetalltypen der Reichsprägung

Es lassen sich insgesamt vier Edelmetall-Emissionen unterscheiden, auf denen das Porträt der Agrippina maior rückseitig erscheint. Alle Münzen besitzen datierende Angaben auf dem Avers. Derer sind drei zu differenzieren:


C CAESAR AVG GERM P M TR POT (1. und 2. Emission, RIC² 7/8, 13/14)
C CAESAR AVG PON M TR POT III COS III (3. Emission, RIC² 21/22)
C CAESAR AVG PON M TR POT IIII COS IIII (4. Emission, RIC² 30)


3. Emission (RIC² 21, © Numismatik Lanz München)


Die ersten drei Emissionen sind jeweils in Gold und Silber vorhanden, die vierte ist nur als Denarprägung bekannt. Die Zweiteilung der Emission im ersten Jahr der tribunicia potestas Caligulas muss aufgrund einiger stilistischer Unterschiede der Münzen vorgenommen werden. Leider gibt es in der Forschung derzeit noch keine einheitliche Meinung, was den Termin des allgemeinen Beginns der Münzprägung unter Caligula betrifft. Zur Diskussion stehen zwei Termine: Der Beginn der tribunicia potestas Caligulas Mitte März 37 und der (verspätete) Beginn seines ersten Konsulats am 1. Juli 37. Von dieser Unsicherheit betroffen ist auch das Wissen um den Beginn der Prägung der Agrippina-Edelmetalle. Allein anhand der Datierung und der stilistischen Eigenschaften der Münzen kann dieses Problem nicht gelöst werden. Eine Betrachtung der konzeptionellen Anlage der Münzen und des Münzprogramms, welche die zeitgenössische Rezeption im Auge hat, kann aber durchaus einen Lösungsvorschlag liefern. Alle A/D-Typen zeigen Caligula auf dem Avers mit den oben aufgelisteten Umschriften. Jene mit dem Porträt der Agrippina auf dem Revers haben alle dieselbe Legende: AGRIPPINA MAT C CAES AVG GERM
Auf dem unvergänglichen Metall wurde also die Bindung des Kaisers an seine verstorbene Mutter ebenfalls unvergänglich gemacht. Die enge Beziehung verstärkend wirkt die Darstellung beider, die große Familienähnlichkeit vermittelt. Die Aufnahme des Titels ‚Germanicus‘ in diese Umschrift erinnert stets an Agrippinas Ehemann Germanicus, dem sie zweifellos einen maßgeblichen Teil ihrer eigenen Popularität verdankte. Caligula ehrte seinen Vater, der für die claudischen Vorfahren des Kaisers steht, ebenso auf Münzen wie die Mutter (RIC² 11/12, 17/18, 25/26 [1. - 3. Em.]). Obwohl für die letzte Emission (COS IIII, 41) der Germanicus-Typ nicht belegt ist, muss die Ehrung beider Eltern als integraler Bestandteil der Edelmetall-Prägung Caligulas gesehen werden. Zumal beide nicht konsekriert waren, bedeutete dies ein Novum in der Reichsprägung. Wie hat Caligula dieses Novum eingeführt?

Bei Sueton (15,1) ist zu lesen, dass Caligula gleich nach seiner Ernennung zum Prinzeps in einer inszenatorisch angelegten Aktion die sterblichen Überreste seiner Mutter und seines Bruders Nero von den Verbannungsinseln nach Rom in das Augustus-Mausoleum überführte, wo auch schon Germanicus begraben lag. Danach gab es Zirkusspiele und weitere Ehrungen für die Toten. Diese öffentlichkeitswirksame Rehabilitierung der eigenen Familie war zunächst eine Distanzierung von Tiberius, der für die Verbannung und auch den Tod von Agrippina und der Brüder Caligulas verantwortlich war. Umso mehr bedurfte es also einer wirksamen, auf Herkunft beruhenden Herrschaftslegitimation. Diese stützte sich nun zum einen auf den Nimbus des Germanicus, der als Neffe und Adoptivsohn Tiberius´ ebenfalls potentieller Augustus-Nachfolger gewesen war und vermutlich deshalb früh starb. Ungleich größer war aber die legitimierende Kraft des göttlichen Augustus, dessen Urenkel Caligula war über seine Mutter Agrippina, eine Tochter der Iulia Augusti und Marcus Agrippas. An diesem Punkt stellt sich noch die Frage, ob Agrippina innerhalb der Familienpropaganda aus eben diesem Grunde eine größere Rolle spielte als Germanicus. Bezüglich des Münzprogramms soll diese Frage nach der Behandlung der Bronzeprägung beantwortet werden. Die bisherigen Überlegungen lassen in Bezug auf die noch offen gelassene Datierungsfrage durchaus Hypothesen zu, wie der genaue Ablauf der Edelmetall-Prägung, insbesondere der Familien-Typen, erfolgte.
Dass die Edelmetalle mit Germanicus und Agrippina gleich von Beginn der Herrschaft Caligulas an geprägt worden sind, halte ich für unwahrscheinlich. Der Wechsel zu einer die Familie heraushebenden Propagandalinie wäre gewissermaßen übergangslos und ohne das vorherige Bekanntwerden der im April 37 durchgeführten Urnenüberführung schlecht begründet. Wahrscheinlicher ist der Prägebeginn Anfang September 37. Einerseits wäre durch das Ende des nur zweimonatigen ersten Konsulats Caligulas die Titulatur auf dem Avers korrekt und andererseits die neuen Ehren für die Mitglieder der Kaiserfamilie hinlänglich bekannt. Die Einführung eines neuen (und beständigen) Münzprogramms, das die Familie als Basis für Caligulas Herrschaftsanspruch propagierte, war keine Überraschung oder gar Provokation im Sinne autokratischer Eigenmächtigkeit mehr. Möglicherweise hat Caligula damit sogar deshalb bis zum Beginn des Septembers gewartet, weil es dieser Monat war, der ab sofort nach Germanicus benannt sein sollte.

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b. Der Carpentum-Sesterz

Auf Bronze wurde Agrippina (maior) in der Reichspägung der Zeit des Caligula nur einmal abgebildet. Es handelt sich dabei um den Carpentum-Sesterz. Auf dem Avers ist die Büste Agrippinas zu sehen mit folgender Umschrift: AGRIPPINA M F MAT C CAESARIS AVGVSTI. Auf dem Revers ist ein von Maultieren gezogenes Carpentum abgebildet, im Feld steht: SPQR / MEMORIAE AGRIPPINAE


RIC² 55 (© Numismatik Lanz München)


Der Carpentum-Sesterz zu Ehren Agrippinas ist insofern eine außergewöhnliche Münze, als dass auf ihr erstmalig beide Münzseiten, bildlich wie inschriftlich allein einer nicht an der Regierung beteiligten (Privat-)Person gewidmet sind. Dies ist in der Reichsprägung zum ersten Mal der Fall. Außer den indirekten Datierungen (geprägt nach Agrippinas Tod und während des Prinzipats Caligulas) geben die Legenden keinen weiteren Hinweis darauf, wann diese Münze geprägt worden ist. Auch diesmal gibt es in der Forschung unterschiedliche Meinungen bezüglich des Prägebeginns dieser Münze. Es muss abermals anhand der inhaltlichen Aspekte entschieden werden, wann die Prägung dieses Sesterzes begonnen hat. Tatsächlich bietet z. B. die nähere Betrachtung der Frage, wie Agrippina eigentlich zum Carpentum-Recht kam, auch einige Anhaltspunkte zur Lösung des Datierungsproblems.
Livia war die erste Frau, die mit dem Carpentum-Recht geehrt wurde. Dies geschah im Zusammenhang mit der Genesung von einer schweren Krankheit im Jahr 22. Damals wurden aus diesem Anlass Zirkusspiele veranstaltet, zu denen Livia im Prunkwagen, dem Carpentum, fahren durfte. Diese Ehre wurde im selben Jahr auf dem ersten Carpentum-Sesterz (RIC 50/51) abgebildet, der die Vorlage für den Agrippinas war. Caligula, der zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre alt war und schon seit zwei Jahren wieder mit seiner Mutter in Italia lebte, hatte damals die Besorgnis wie auch die Erleichterung der römischen Bevölkerung sicherlich wahrgenommen. Er ist sich später auch der ungebrochenen Popularität seiner Eltern, die den Gegensatz zu Tiberius nicht überlebt hatten, bewusst gewesen. Es liegt nicht fern anzunehmen, dass er mit der Rehabilitierung und Rückholung Agrippinas aus der (von weiten Teilen der Bevölkerung als unrechtmäßig angesehenen) Verbannung in Bezug auf die öffentliche Anteilnahme einen ähnlichen Effekt erzielen wollte, wie er ihn seinerzeit bei der Gesundung Livias beobachtet hatte. Welche Parallelen gab es nun im Fall der Ehrung Agrippinas? Bei Sueton (15, 1) ist zu lesen, dass Caligula, nachdem er die Urne Agrippinas von der Verbannungsinsel in das Augustus-Mausoleum überführt hatte, seiner Mutter zu Ehren Zirkusspiele gab und sie (d. h. ihr Bildnis) in einem Prunkwagen vom Capitol zum Zirkus bringen lies. Ich meine, dass man guten Gewissens die Ehrung Livias als Vorbild für die nunmehr postume Ehrung Agrippinas ansehen kann.

Unter dieser Betrachtungsweise passt die Exzellenz der Münze zu einem genau durchdachten Legitimationskonzept, dem auch ein gewisses empathisches Moment nicht abgesprochen werden sollte. Auf jeden Fall kann man die Münze so interpetieren, dass sie gewissermaßen das handliche Kondensat der im Frühjahr 37 tatsächlich durchgeführten Zeremonie darstellt. Die Bedeutung des Carpentums war der römischen Bevölkerung bereits von der Vorgängermünze bekannt. Und die Vorderseite der Münze mit ihrem großen, erstmals realistisch ausgearbeiteten Frauenporträt gibt möglicherweise jenes Bildnis wieder, das im Carpentum zu den Spielen gefahren wurde, z. B. in Form einer Marmorbüste.
Der Carpentum-Sesterz war also höchstwahrscheinlich von Beginn an fester Bestandteil der Bronze-Prägung. Da diese seit der ersten Emission zu einem guten Teil der Familienpropaganda gewidmet war, soll für den Beginn der Bronze-Prägung der September 37 angesetzt werden, als auch in der Edelmetallprägung die Familienpropaganda begann.

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c. Resümee zur Rolle der Agrippina-Abbildungen in der Reichsprägung

Mit diesem Gesamtbild der Abbildung Agrippinas auf reichsrömischen Münzen soll auf ihre Bedeutung als direktes Bindeglied Caligulas zu Augustus und der julischen Linie eingangen werden. Dass Agrippina als Enkelin des Augustus eine legitimatorische Rolle spielte und diese auch propagiert wurde, ist unbestreitbar – aber im Rahmen des Gesamtkonzepts einer Familienpropaganda auch nicht überraschend. Dass die julische Abstammung, die auf die Götter Augustus und Iulius Caesar zurückführte, die attraktivere und wichtigere für Caligula war, ist auch naheliegend. Inwieweit zeigt nun der Münzbefund eine besondere Hinwendung Caligulas in diese Richtung, die eine exponierte Stellung der Agrippina (vor allem gegenüber Germanicus) bedeuten würde?
Beim Edelmetall wurde schon oben festgestellt, dass Agrippina wie auch Germanicus gleichermaßen integraler Bestandteil des Münzprogramms waren. Ein Vergleich der Abbildung beider auf Bronzemünzen zeigt Folgendes: Der Carpentum-Sesterz mit dem Porträt Agrippinas ist eine ganz außergewöhnliche Münze, die auch aufgrund ihres verbreiteten Nominals große Wirkungskraft entfaltet haben muss. Aber er ist die einzige Bronzemünze, die Agrippina zeigt.
Germanicus indes wurde auf einem viel gewöhnlicheren As (RIC² 35/43/50) abgebildet. Aber es ist auch ein undatierter Germanicus-Dupondius (RIC² 57) für diese Zeit belegt ist, der nicht sicher einem Kaiser zugeordnet werden kann. Höchstwahrscheinlich wurde er unter Caligula geprägt oder befand sich zu dieser Zeit schon im Umlauf. Also stehen jetzt zwei Germanicus-Bronzemünzen einem Agrippina-Sesterz gegenüber. Auf dem Carpentum-Sesterz, und nur dort, ist der Hinweis M F (Marci filia) zu finden. Im direkten Zusammenhang mit ihr wird von ihren Vorfahren also nur ihr Vater Marcus Agrippa erwähnt, der aber in der zeitgenössischen Wahrnehmung sicher schnell mit Augustus assoziiert worden ist. Hier könnte man eine programmatische Verbindung der Münze zu einem Agrippa-As und einem Augustus-Dupondius (RIC² 58 und 56, beide ebenfalls undatiert und Caligula nur zugeschrieben) sehen. Diese Dreiergruppe würde aber eine Betonung der julischen Abstammung gegenüber der von Germanicus von Anfang an bedeuten und damit ebenso wenig in der Edelmetallprägung eine Entsprechung finden wie in den Ehrungen der Eltern Caligulas am Beginn seines Prinzipats: Die Verleihung des Carpentum-Rechts an Agrippina einerseits und die Umbenennung des Septembers in Germanicus andererseits gehörten gleichermaßen zu den höchstmöglichen Ehrungen für eine Frau bzw. einen Mann unterhalb der Konsekration.
Ich denke, dass die Suche nach einer Berufung auf den göttlichen Augustus naheliegend zu sein scheint vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Überlieferung, die Caligula insbesondere in der späteren Prinzipatszeit vorwarf, Gott sein zu wollen. Betrachtet man aber Caligula aus der alternativen Perspektive und sieht ihn als jemanden, der den auf ihrer Machtlosigkeit beruhenden Opportunismus der Aristokratie entlarvte, sich also dem recht irdischen Problem der Unmöglichkeit eines Prinzipats zuwandte, so erscheint diese Suche eher reflexhaft und auf vage Indizien begründet.
Ich bin der Meinung, dass Agrippina einfach nur in wesentlich öffentlicherer Weise jene Rolle gespielt hat, die jeder aristokratischen Frau dieser Zeit zugekommen ist. Sie verkörperte ein dynastisches Bindeglied. Die in Rom zuvor ungekannte Öffentlichkeit dieses Teils der Legitimationsbemühungen Caligulas war außergewöhnlich. Agrippinas Rolle selbst war ganz im Rahmen der römischen Tradition. Aus dieser Perspektive ist das M F auf dem Carpentum-Sesterz und die Münzabbildung von Agrippinas Vater in Vervollständigung der julischen Linie als das übliche Befolgen der römischen Sitte zu sehen, einer Frau über die Nennung ihrer Familienzugehörigkeit das erwünschte Ansehen zu verleihen. Dass Caligula dies durch den göttlichen Augustus erfüllt sehen wollte, ist in keiner Weise verwunderlich. Aber dass er Agrippina im Sinne einer „Abstammungs-Ideologie“ heraushob, vermag ich nicht zu erkennen.

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3. Provinzialpägungen Für Agrippina maior



RPC 3082: Aezani, Germanicus u. Agrippina


Agrippina wird in der Provinzialprägung in zwei verschiedene Kontexte eingebettet: Das ist zum einen die Familienpropaganda. Hier erscheint sie entweder mit Caligula auf einer Münze, welche wiederum zu einem Programm gehört, das auf anderen Münzen die weiteren Familienmitglieder abbildet (Caesaraugusta, Corinth). Oder sie wird zusammen mit anderen Verwandten Caligulas auf eine Münze geprägt (Apameia). Weitaus am häufigsten erscheint sie aber gemeinsam mit ihrem Mann Germanicus. Dies geschieht in zwei Zusammenhängen: Einmal als Elternpaar des Caligula (Smyrna, Magnesia) und einmal als Reminiszenz an Germanicus und seine Frau (Mytilene, Aizani). Insbesondere ist für Mytilene letzterer Zusammenhang belegt: Von dort stammt auch eine Münze, auf der Caligulas Schwester Iulia Livilla abgebildet ist, diese war während eines Aufenthalts des Elternpaars auf Lesbos geboren.
Man kann wohl guten Gewissens sagen, dass Agrippina in der Provinz gleichermaßen wie im Reich in die Familienpropaganda eingebunden war. Allerdings war diese dadurch noch um eine Dimension erweitert, dass vor allem im griechischen Osten Agrippina und Germanicus (immer noch) als Paar aufgrund ihrer Wahrnehmung während der Lebenszeit des Germanicus geehrt wurden. Dies stellt durchaus auch eine Erweiterung der propagandistischen Bedeutung Agrippinas dar. In der Provinz mag dies sogar eine der wichtigsten Legitimationsgrundlagen des Caligula gewesen sein. Aber der Hintergrund ist als lokal anzusehen und spielte in der Reichspropaganda vermutlich keine große Rolle.

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4. Münzabbildungen der Schwestern Caligulas



In der Reichsprägung Caligulas ist ein Sesterz zu finden, wie es ihn zuvor nie gegeben hat: Die Vorderseite zeigt das Porträt des Kaisers und seinen Titel. Auf der Rückseite sind drei Frauen als vollständige Figuren abgebildet. Jeder ist ein Name zugeordnet: AGRIPPINA – DRVSILLA – IVLIA. Dies sind die drei jüngeren Schwestern Caligulas. Die Münze zeigt also drei lebende weibliche Mitglieder der Kaiserfamilie – und zwar nicht kodiert als Abbildung von Göttinnen, die durch die Art ihrer Darstellung auf lebende Personen hinweisen, sondern umgekehrt: als inschriftlich identifizierte Personen, die mit göttlichen Attributen versehen sind. Aus der Kaisertitulatur ist zu erfahren, wann diese Münze geprägt wurde: im ersten Jahr der tribunicia potestas Caligulas, und auch nur in diesem.


RIC² 33: Der „Schwestern-Sesterz“


Wie ist diese Münze zu deuten? Die literarische Überlieferung erzählt, dass unter Caligula die Frauen der Kaiserfamilie mit bis dato beispiellosen Ehren bedacht wurden. Neben seiner Mutter Agrippina sind Caligulas Schwestern ein herausragendes Beispiel dafür. Die römischen Historiographen berichten, dass eine Erwähnung der Schwestern in die formalen Eidesformeln aufgenommen wurde und dass sie den Ehrenstatus der Vestalinnen verliehen bekamen. Seine Schwester Drusilla, der er besonders zugeneigt gewesen sein soll, hat Caligula in der Zeit seiner schweren Krankheit im Herbst 37 gar zur Erbin seines Imperiums bestimmt (Suet. 24, 1). Nachdem sie im Juni 38 früh verstorben war, wurde Drusilla als erste Frau konsekriert (Suet. 24, 2). Zusammen mit diesen Ehrungen muss der Schwestern-Sesterz als Teil der zielgerichteten Familienpropaganda gesehen werden.
Die auf der Münze dargestellten Attribute der Schwestern machen die drei Damen zu Verkörperungen der Göttinnen Securitas, Concordia und Fortuna. Ihre Kleidung mutet eher griechisch an, als dass sie der von römischen Matronen entspricht. Zudem sind sie einander zugewandt, was sie als eine untrennbare Einheit erscheinen lässt. Es stellt sich nun die Frage, welche Bedeutung der Schwestern für Caligula die Münze vermittelt.

Die Legitimität der Nachfolge als Kaiser wurde von der Gesellschaft am ehesten durch Abkunft akzeptiert. Caligula selbst jedoch war noch im Jahr 38, trotz dreier Ehen, kinderlos geblieben. Die Bestimmung Drusillas zur Erbin seiner Herrschaft und seines Vermögens während seiner Krankheit war die einzige Möglichkeit, Tiberius Gemellus von der Nachfolge auszuschließen. Denn nur die dynastische Weitergabe der Herrschaft an seine Schwester Drusilla hatte das Gewicht, den Enkel Tiberius´ auszustechen, nicht aber die einfache Bestimmung von Drusillas Ehemann M. Aemilius Lepidus. Somit wird deutlich, dass die Schwestern, wenn auch in neuartig öffentlicher Weise, die gleiche Rolle spielen, die jede aristokratische Frau dieser Zeit hatte: Sie waren ein dynastisches Argument, die stolz präsentierten Bewahrerinnen der Familie. Ihre Bedeutung leitete sich jedoch gänzlich aus ihrer Fruchtbarkeit sowie dem Prestige und Vermögen der Familie ab.
Dass die Münze nur im ersten Regierungsjahr Caligulas (37/38) geprägt wurde, ist letztlich eine Konsequenz der Geschichte: Drusilla war im Juni 38 gestorben und konnte nicht mehr, wie von Caligula gewünscht, genetrix seiner Nachfolger sein. Ihr Mann Lepidus, nun kein Teil der Familie mehr, verschwor sich mit den beiden anderen Schwestern gegen Caligula und wurde dafür hingerichtet. Die Schwestern wurden von Caligula im Herbst 39 verbannt. Zweifellos war es diese Ächtung von Agrippina und Iulia Livilla, die Caligula endgültig zwang, die Prägung des Schwestern-Sesterzes aufzugeben. Leider kann man nicht eindeutig sagen, ob es in der Reichsprägung den Schwestern-Sesterz auch in der Version hätte geben können, wie er in der Provinz auftrat: mit den lebenden Schwestern und Drusilla als Diva in der Mitte.

Auch in der Provinzialprägung wurden die Schwestern Caligulas mehrfach abgebildet, zum Teil in spektakulärer Weise: Eine Münze aus der Colonia Iulia Concordia Apameia zeigt die Büsten der drei Schwestern vereint mit einer Darstellung der Mutter Agrippina als Göttin.


RPC 2012


Drusilla wird als Diva bezeichnet, womit die Münze in den Zeitraum zwischen dem Tod Drusillas und der Verbannung der beiden anderen Schwestern eingeordnet werden kann. Das Gleiche gilt für eine Münze aus einer anderen, unbekannten Colonia mit dem Kürzel CIC. Auf dieser ist die Darstellung der drei Schwestern eine detailgetreue Kopie des Schwestern-Sesterzes aus der Reichsprägung. Allerdings sind diesmal auf der Vorderseite die gegenübergestellten Büsten der beiden verstorbenen Brüder Nero und Drusus Caesar abgebildet. Die Übernahme des Dreier-Motivs in der Provinz auch nach dem Tod Drusillas ist an sich sehr interessant. Wie gesagt kann aber diese Tatsache dennoch leider keinen ausreichenden Hinweis geben, ob dies auch in der Reichsprägung hätte möglich sein können. Andere Münzen zeigen jeweils Einzelporträts einer bestimmten Schwester. So stammt aus Smyrna eine Münze mit dem Porträt Drusillas und ebenso aus Miletus. Auf Letzterer wird sie als ΘEA bezeichnet, die Münze ist aber dennoch vermutlich schon vor ihrem Tod geprägt worden. Zuletzt findet sich aus Mytilene auf Lesbos eine Münze mit dem Porträt Iulia Livillas. Diese Schwester Caligulas war auf Lesbos geboren und die Abbildung ist offenbar Ausdruck der auf der Insel anhaltenden Verehrung der Germanicus-Familie.

Die Schwestern Caligulas nehmen auch in der Provinzialprägung als Dreiergruppe ihren Platz in der Familienpropaganda ein, wobei sie dort aber nicht für sich stehen, sondern in einen Kontext mit den übrigen Familienmitgliedern gesetzt werden. Andererseits wird Drusillas herausgehobene Stellung (sie nahm zeitweise den Platz einer Ehefrau von Caligula ein) reflektiert. Ich denke, dass man die Provinzialprägung hier als Spiegel der tatsächlichen Verhältnisse in Rom sehen kann. Was sich dort aufgrund der Prägetradition noch verbot, konnte in den diesbezüglich etwas ‚freieren‘ Provinzen seinen Ausdruck finden. Es ist aber nicht so, dass die Provinzialprägung weiter ging als das, was die Propaganda in Rom ohnehin produzierte. Das Prägeprogramm ist also trotz der recht beeindruckenden Stücke als rein rezeptiv anzusehen.

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5. Das (Nicht-)Erscheinen der Ehefrauen Caligulas auf Münzen



Die Ehefrauen Caligulas wurden in der Reichsprägung nicht berücksichtigt. Die einzige Münze, auf der eine Gattin Caligulas abgebildet ist, stammt aus der Provinz Judäa, geprägt unter Iulius Agrippa I. Sie zeigt auf dem Avers ein Porträt Milonia Caesonias, der vierten und letzten Frau Caligulas, und auf dem Revers eine Mädchenfigur bezeichnet mit dem Namen der gemeinsamen Tochter Drusilla. Diese Münze kann also zweifellos der Familienpropaganda zugeordnet und als dynastische Aussage gesehen werden. Und da gerade Agrippa ein enger Vertrauter Caligulas war, ist diese Münze nicht bloß als lokale Randerscheinung zu werten. Vielmehr scheint sie auf die vorhandene dynastische Bedeutung auch der Gattinnen Caligulas hinzuweisen. Ich denke, dass man sich durchaus berechtigt die Frage stellen kann, warum die Schwestern Caligulas als lebende Familienmitglieder sowohl im Reich als auch vielfach in der Provinz auf Münzen abgebildet wurden, aber nur der vierten und letzten Ehefrau Caligulas eine (Provinz-)Münze gewidmet worden ist.


RPC 4977


Caligulas erste Heirat, mit Iunia Claudilla, der Tochter eines Konsulars eher unbedeutender Herkunft, war von Tiberius arrangiert worden. Aber die Verbindung währte nur kurze Zeit (Iunia starb im Kindbett) und hatte zudem als mögliche Nachfolgeregelung keine erfassbare Bedeutung. Caligulas zweite Ehe kam erst zustande, als er bereits Prinzeps war. Nach der Genesung von seiner Krankheit im Herbst 37 (und damit nach der Bestimmung seiner Schwester Drusilla als Erbin) heiratete er die junge Adlige Livia Orestilla. Diese war gerade im Begriff gewesen, einen anderen zu heiraten, und pflegte auch nach der Hochzeit Kontakt mit ihrem ersten Bräutigam. Deshalb wurde sie wenig später von Caligula geschieden und verbannt. Die dritte Ehe muss in Zusammenhang mit dem Tod Drusillas im Juni 38 gesehen werden. Mit ihr starb auch die Hoffnung auf einen legitimen Erben, gezeugt von Caligulas Wunschnachfolger Lepidus. Vermutlich noch im Herbst 38 heiratete Caligula die ebenso reiche wie schöne Lollia Paulina. Doch diese beiden Vorzüge, zu denen noch eine erstklassige Herkunft kam, waren für ihn offenbar nur von nachrangiger Bedeutung: Kurz nach der Hochzeit wurde die weniger schöne und um einige Jahre ältere Milonia Caesonia seine Geliebte und bereits zum Jahreswechsel 38/39 empfing sie von Caligula die Tochter Drusilla. Als diese geboren wurde, heiratete Caligula Caesonia. Es ist nicht ganz klar, ob die Hochzeit vor oder nach Geburt der Tochter stattfand. Aber man kann wohl annehmen, dass Caligula mit der Hochzeit zumindest solange wartete, bis er sicher annehmen konnte, dass die Geburt erfolgreich sein würde. Dass es beim Wechsel von der dritten zur vierten Ehe in erster Linie um den Nachwuchs ging, wird vor allem daraus ersichtlich, dass Paulina auch später kinderlos, sprich: unfruchtbar, bleiben sollte, während Caesonia vor Drusilla schon drei Töchter zur Welt gebracht hatte.

Es braucht also nicht weiter begründet zu werden, dass die ersten beiden Frauen Caligulas nicht auf Münzen zu finden sind. Auch von der dritten, Lollia Paulina, wusste Caligula offenbar recht schnell, dass er mit ihr keinen Nachfolger zeugen konnte. Somit schied auch sie bald als bedeutsames Familienmitglied aus. Bei Caesonia verwundert es aber doch, dass Caligula, nachdem er seine Schwestern aus der Familienpropaganda hatte ausschließen müssen und angesichts der dynastischen Bedeutung, die er ihnen zugeteilt hatte, nicht die Gelegenheit ergriff, Frau und Kind an deren Stelle zu setzen. Eine Münze wie die aus Judäa hätte man meiner Meinung nach ähnlich durchaus auch in der Reichsprägung erwarten können, zumal nachdem der Wegfall des Schwestern-Sesterzes quasi eine ‚Lücke‘ ins Programm gerissen hatte. Es gibt für mich nur einen plausiblen Grund, diese Lücke nicht zu füllen: Eine bestimmte Propaganda sollte genau dann nicht vermittelt werden, wenn die erwartbare Rezeption nicht das gewünschte Prestige produziert hätte. Damit bleibt als einzig vernünftige Erklärung für das Ausbleiben ihrer Abbildung auf Reichsmünzen, dass Caesonia aufgrund ihrer Herkunft nicht geeignet war, der römischen Öffentlichkeit als genetrix der zukünftigen Julier präsentiert zu werden. Möglicherweise genoss einer ihrer Vorfahren in Judäa etwas mehr Prestige. Aber in Rom gab es wohl keinen (männlichen) Verwandten, der Caesonia die nötige Stellung verliehen hätte.
Diese Schlussfolgerung, die an sich kaum mehr als eine Vermutung ist, passt recht gut zum Ergebnis der Analyse der Agrippina-Propaganda: Dort wurde die Filiation M F auf dem Carpentum-Sesterz eher als notwendige Beifügung zwecks Positionierung Agrippinas in der römischen Gesellschaft verstanden und weniger als bewusste Propagierung der julischen Linie. Es kam eben bei einer Frau nicht so sehr darauf an, wer sie selbst war, sondern mit wem sie verwandt war. Und nach diesem Kriterium hatte Caesonia offenbar in Rom nichts zu bieten. Selbst Caligulas Schwester Agrippina minor, die unter Claudius immerhin die Mutterschaft für einen designierten Kaisernachfolger zum Thema der Münzpropaganda gemacht hat, wollte zuvor über ihre eigene Mutter die Linie hin zu Augustus publiziert wissen. Doch dies wird in einem anderen Beitrag dargestellt.

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6. Münzen für Antonia minor


In der Zeit der Herrschaft Caligulas wurde Antonia nur in der Provinzialprägung auf Münzen abgebildet. Allerdings gilt dies nur für vereinzelte Prägestätten. Für einige von ihnen ist es möglich, die Antonia-Typen als Teil der Familienpropaganda oder als die übliche Identifikation einer weiblichen Persönlichkeit mit zu verehrenden Göttinnen zu sehen. Die meisten Münzen spielen auf ihre (postume) Ernennung zur Augusta an. Es gibt aber keine Informationen über die tatsächlichen lokalen Programme. Darüber hinaus ist kein generelles Konzept für Antonia-Prägungen während der Zeit Caligulas zu erkennen.


RPC 1176

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