Die alexandrinischen Münzprägungen für Livia unter

Augustus und Tiberius


verfasst von Mareike Quint




1. Münzdossier

2. Literatur- und Quellenverzeichnis




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1. Münzdossier


Ägypten nahm seit 30/ 29 v. Chr. eine Sonderstellung im römischen Reich ein, nachdem es durch den Sieg Oktavians ( welcher 27. v. Chr. den Ehrentitel „Augustus“ erhielt ) über Antonius und Kleopatra zu einer römischen Provinz gemacht wurde, allerdings zu einer Provinz der besonderen Art, denn es wurde aufgrund seines großen Reichtums zu einem kaiserlichen Kornland. Das Land wurde nicht wie die übrigen Provinzen durch einen senatorischen Statthalter verwaltet, sondern es stand unter der Herrschaft Augustus, der allein einen Präfekten aus dem Ritterstand wählte, welcher Ägypten in seiner Abwesenheit nach dessen Vorgaben verwalten sollte. Augustus alleine bestimmte über das eroberte Land Kleopatras, ohne dass der Senat in irgendeiner Form ein Zugriffsrecht auf diese römische Provinz hatte. Folglich war es den römischen Senatoren sowie den Angehörigen der kaiserlichen Familie nicht erlaubt ohne vorherige Absprache mit Augustus das Land zu betreten. In Ägypten selbst knüpfte Augustus an die Herrschaft der Pharaonen an und ließ sich wie selbstverständlich als deren Nachfolger verehren [1].

Die Sonderstellung, die Ägypten innerhalb des römischen Reiches inne hatte, erklärt nun auch seine Abtrennung vom Reich und den Provinzen bei der Bearbeitung dieses Themas. Denn die politische Position Ägyptens hatte auch entscheidende Auswirkungen auf die alexandrinischen Münzprägungen für Augustus’ Ehefrau Livia. Aufgrund der Tatsache, dass Augustus Herr über die Provinz Ägypten war, konnte er seiner Frau einen wesentlich größeren politischen Einfluss und auch Ehren zugestehen als ihm dies in Rom möglich gewesen wäre. Zu diesen Ehren zählte das Münzrecht für Livia. Die Verleihung des Münzrechtes führte dazu, dass in Ägypten ihr Bild und ihr Name auf den Obvers geprägt werden! Dies ist eine deutliche Abweichung zu den reichsrömischen und provinzialen Münzprägungen. Aber auch im Hellenismus ist dies eine Neuheit. Sie besteht weniger darin, dass eine Frau das Münzrecht hat und ihr Portrait auf dem Avers erscheint, sondern viel eher darin, dass Livia in Ägypten im Gegensatz zu den früheren Pharaoninnen kein offizielles Amt oder eine offizielle Teilhabe an der Herrschaft erhielt [2].

Keine antike Prägestätte weist zu Lebzeiten des Augustus eine so reiche und gut dokumentierte Serie von Münzen mit dem Bildniskopf Livias auf wie diejenige in Alexandria. Dort prägte man ihr Portrait ausschließlich auf Bronzemünzen, deren Qualität aber häufig sehr bescheiden ist.

In der augusteischen Zeit hatte weder das kaiserliche noch das senatorische Münzgeld Raum für die Darstellung eines gesicherten Livia-Portraits. Vielmehr geht man davon aus, dass die auf den Münzen dargestellte weibliche Gestalt Livia ist. Die Gründe hierfür wurden bereits bei den Reichsprägungen Livias unter Augustus besprochen.
In Alexandria allerdings findet man seit 10/ 9 v. Chr. bis in die Regierungszeit von Tiberius Münzen mit dem Namen und dem Portrait Livias.


    RIC 513

RPC 5027: Vs: Portrait Livias; Rs: ΠΑΤΡΟΣ ΠΑΤΡΙΔΟΣ, Doppelfüllhorn


Diese Prägung RPC 5027 ermöglicht durch den Namenszug IOULIA SEBASTOU – was der lateinischen Namensform Livia Augusti (sc. uxor) entspricht- das Frauenportrait auf dem Obvers eindeutig zu identifizieren [3]. Auf dem Obvers wird Livia in der gleichen idealisierenden Art dargestellt wie man Augustus darzustellen pflegte. Der Portraitkopf drückt eine Jugendlichkeit aus, der die Wirklichkeit völlig negiert, denn das Portrait wurde auch noch in hohem Alter auf die Münzen geprägt. Die Frisur – in der Forschung spricht man von einer Nodusfrisur- wird zu einem „Markenzeichen“ Livias und ermöglicht, dass Münzprägungen ohne Namensnennung Livia zuzuordnen sind [4]. Thematisch lassen sich zwei Kontexte bei den Münzen feststellen: zum einen den göttlichen, zum anderen den herrschaftlichen Kontext.

In Anlehnung an den Herrscherkult des Augustus im Osten des Reiches, nahm auch Livia dort eine vergöttlichte Stellung ein und ersetzte somit Kleopatra, die man in Ägypten als eine göttliche Königin ansah [5]. Allerdings wurde sie keiner bestimmten Gottheit auf den Münzen angeglichen, vielmehr wurde sie verschiedenen Göttinnen zugeordnet, die vom thematischen Standpunkt betrachtet, zusammenpassen. Bei den Prägungen mit göttlichem Kontext muss man differenzieren zwischen Münzen, die Livia mit göttlichen Attributen (siehe RPC 5006, RPC 5043) oder direkt mit einer Göttin zeigen (siehe RPC 5053, RPC 5065).


RPC 5006: Vs: ΛΙΟΥΙΑ [ΕΒΑ[ΤΟΥ; Rs: Doppelfüllhorn
RPC 5043: Vs: Portrait Livias; Rs: L ΛΘ, Korb mit Ähren, daneben Fackeln (?)
RPC 5053: Vs: Portrait Livias; Rs: ΕΥΘΗΝІΑ , LM (=Jahr 40), Euthenia
RPC 5065: Vs: Portrait Livias; Rs: L MA, Athena


Bei der Münze RPC 5006 ist die Büste Livias auf dem Avers zu sehen, erkennbar durch die für sie typische Nodusfrisur und vor allem durch die Inschrift IOULIA SEBASTOU. Auf dem Obvers ist ein mit Korn gefülltes Doppelfüllhorn zu sehen, welches zu den Attributen der Göttin Demeter gehört. Auch die Münze RPC5043 zeigt auf dem Obvers Livia und auf dem Revers einen von zwei Fackeln flankierten Korb, der mit Ähren gefüllt ist und ebenfalls zum Demeterkult gehört. Bei der alexandrinischen Emission RPC 5053 wurde wiederum die Büste Livias –allerdings ohne Inschrift- auf dem Avers geprägt, während auf dem Obvers eine Frauenbüste zu sehen ist, die in der Hand drei Ähren hält. Die Inschrift EYONHIA erlaubt es, die Büste als Euthenia zu identifizieren.

Da Münzen in der Antike nicht nur ein Zahlungsmittel waren, sondern auch der Propaganda dienten, bleibt die Frage, welche Bedeutung die Reverse haben. Zum einen wird ausgesagt, dass Livia als Nachfolgerin Kleopatras ebenfalls als eine Göttin angesehen wird. Zum anderen sprechen die Reverse eine deutliche Sprache, welche Kräfte und Aufgaben man ihr als Göttin zuordnet, denn sowohl Demeter als auch Euthenia stehen für den Ackerbau und eine gute Ernte. Livia wird also auf den Münzen als eine Garantin des Wohlstandes und der Fruchtbarkeit dargestellt. Sie soll Volk und Land Segen bringen. Livia wird auf den Münzprägungen noch mit einer zweiten Göttin in Verbindung gebracht wie auf der RPC-Münze 5065 zu erkennen ist: auf dem Obvers ist die Büste Livias und auf dem Revers die stehende Athena mit einem Schild in ihrer Linken zu sehen. Durch die Assoziation Livias mit Athena schreibt man ihr die Funktion der Beschützerin für das Land zu.

Darüber hinaus zeigt sich bei dieser Münze, wie sehr die alexandrinischen Emissionen auch ein Spiegelbild der Reichspolitik sind. Die Datierung L ΜΑ gibt das 41. Regierungsjahr Augustus an, sodass die Münze 11/ 12 v. Chr geprägt worden sein muss, in einer Zeit also, in der Tiberius militärische Erfolge in Germanien feierte [6]. Durch das Prägen der Siegesgöttin Athena nimmt die alexandinische Prägung Bezug auf diese römischen Siege. Wie bereits erwähnt, wird Livia noch mit einem zweiten Themenkomplex auf den Münzen in Verbindung gebracht: der Herrschaft. Dieser Themenbereich ist eine logische Konsequenz aus dem ersten Bereich, auch wenn Livia kein offizielles Amt bekleidet; denn Herrschaft und Göttlichkeit gehören im Hellenismus zusammen. Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass sie sich gegenseitig bedingen.

Was sind nun die „Herrschaftsinsignien“ auf den Münzen? Zwei Münzprägungen sollen hierauf eine Antwort geben:


RPC 5008: Vs: ΛΙΟΥΙΑ [ΕΒΑ[ΤΟΥ; Rs: stehender Adler
RPC 5054: Vs: Portrait Livia; Rs: L M, Eichenkranz


Die Münze RPC 5008 präsentiert auf dem Obvers die Livia-Büste und auf dem Revers einen Adler, der nicht nur als Götterbote und speziell als Zeichen des Juppiters zu verstehen ist, sondern der vor allem auch ein Symbol für Herrschaft und Macht ist. Er ist das Symbol der Verquickung von Herrschaft und Göttlichkeit und zeigt den göttlichen Teilaspekt der Herrschaft an. Livia wird somit zu einer Repräsentantin der Macht.
Auch die RPC –Münze 5054 lässt sich dem Thema Herrschaft zuordnen. Sie zeigt auf dem Obvers ein Livia-Portrait und auf dem Revers einen Eichenkranz. Der Eichenkranz war eine römische Kriegsauszeichnung für die Rettung eines Kameraden. Augustus erhielt im Januar 27. v. Chr. vom Senat zusammen mit seinem Ehrentitel Augustus diese Auszeichnung, die für jedermann sichtbar über seiner Haustür angebracht wurde [7]. Der Obvers propagiert mit dem Eichenkranz nicht nur die Ehrungen des Augustus, sondern vor allem die Legitimation seiner Herrschaft: durch die Rettung des Volkes erhielt er die Macht über das Reich und übte jetzt die Herrschaft aus. Livia als Angehörige des augusteischen Hauses, als seine Ehefrau partizipiert nach hellenistischem Verständnis selbstverständlich an dieser Macht. Da die Herrschaft des Paares über Ägypten auf der Rettung des Volkes beruht, fügen sich die Münzen, die oben bereits näher betrachtet wurden und die Livia göttliche Macht zugestehen, um für das Wohl des Volkes und Landes zu sorgen, perfekt ins Bild.

Wie bereits bei der Münze RPC 5065 wird auch bei dieser Münze die aktuelle Reichspolitik berücksichtigt. Ein Hinweis darauf gibt die Datierung L M , die eine zeitliche Einordnung in das Jahr 10/11 v. Chr. erlaubt. Aber nicht nur die Rettung des Volkes wird durch den Eichenkranz symbolisiert, sondern auch die Sieghaftigkeit Tiberius gegen die Germanen, der auf diese Weise die Rettung des Volkes verteidigt.
Soll durch diese Münze angedeutete werden, dass die Rettung des Volkes nun von den Händen des Augustus’ in die Hände seines Adoptivsohnes Tiberius gelegt wird? Unter Tiberius gehen die alexandrinischen Münzprägungen für Livia deutlich zurück. Die Münzprägung für Livia im kleinsten Nominal setzt erst im 4. Regierungsjahr von Tiberius ein, also 17. n. Chr. und endet bereits um 19/ 20 n. Chr. [8].

Thematisch lehnen sich die Münzen an die aus der Zeit des Augustus an wie wir dies auch aus den Reichs- und Provinzialprägungen unter Augustus und Tiberius kennen. Bei der RPC – Münze 5079 ist Livias Bild auf dem Obvers dargestellt und Ähren und Mohn auf dem Revers. Livia wird auch hier wieder als Göttin in Verbindung mit Fruchtbarkeit und Wohlstand für Land und Volk gebracht.


    RIC 513

RPC 5079: Vs: Portrait Livia; Rs: L Δ, Ähren und Mohnblumen


Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Münzprägungen vom thematischen Blickwinkel betrachtet nicht von denen unterscheiden, die im Reich und in anderen Provinzen geprägt wurden. Und dennoch unterscheiden sich die alexandrinischen Emissionen wesentlich von allen anderen Prägungen Livias aus der Zeit des Prinzipats von Augustus und Tiberius: zum einen erscheint ihr Portrait auf dem Obvers, da Augustus ihr das Münzrecht verliehen hat, zum anderen wird ihr Name auf die Münzen geprägt, sodass ein eindeutiger Hinweis vorhanden ist, wer auf der Münze zu sehen ist.

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2. Literatur- und Quellenverzeichnis


Quellen

Gefundene Münzen im Münzkatalog:

Burnett, A.; Amandry, M.; Ripollés: Roman Provincial Coinage. Vol. I: From the death of Caesar to the death of Vitellius ( 44 BC-AD 69). Part II: Indexes and Plates, London; Paris, 1992.

http://www.coinarchives.com


Sekundärliteratur

Burnett, A.; Amandry, M.; Ripollés: Roman Provincial Coinage. Vol. I: From the death of Caesar to the death of Vitellius ( 44 BC-AD 69). Part I: Introdution and Catalogue, London; Paris, 1992.

Gross, Walter Hatto: Iulia Augusta. Untersuchungen zur Gestaltung einer Livia-Ikonographie, Göttingen, 1962.

Hahn, Ulrike: Die Frauen des römischen Kaiserhauses und ihre Ehrungen im Griechischen Osten anhand epigraphischer und numismatischer Zeugnisse von Livia bis Sabina, Saarbrücken, 1992.

Kienast, Dietmar: Augustus. Prinzeps und Monach, 2., unveränd. Aufl., Darmstadt, 1992.

Kleiner, Diana E.E: Politics and Gender in the Pictorial Propaganda of Anthony and Octavian, Echos du monde classique. Classical Views 36, 1992, S. 357-367.

Levick, Barbara: Tiberius. The Political, London, 1999.

Vogt, Joseph: Die alexandrinischen Münzen. Grundlegung einer alexandrinischen Kaisergeschichte, Stuttgart, 1924.


Fußnoten

[1] Kienast, Dietmar: Augustus. Prinzeps und Monarch, 2., unveränd. Aufl., Darmstadt, 1992, S. 51-66.

[2] Vogt, Joseph: Die alexandrinischen Münzen. Grundlegung einer alexandrinischen Kaisergeschichte, Stuttgart, 1924.

[3] Gross, Walter Hatto: Iulia Augusta. Untersuchungen zur Gestaltung einer Livia-Ikonographie, Göttingen, 1962, S. 22-23.

[4] Ebd., S. 22-23.

[5] Kleiner, Diana E.E: Politics and Gender in the Pictorial Propaganda of Anthony and Octavian, Echos du monde classique. Classical Views 36, 1992, S. 357-367.

[6] Levick, Barbara: Tiberius. The Politican, London, 1999, S, 47-67.

[7] Kienast, Dietmar: Augustus. Prinzeps und Monarch, 2., unveränd. Aufl., Darmstadt, 1992, S.69-93.

[8] Ebd., S.54.

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